Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Wohlgebohrn

Herrn Dr. J.G. Cotta

in

Stuttgardt

Kaum sind Sie, theurester Freund, zu Hause und wie ich mir denken kann in einem Meer von Geschäften, und schon muß ich Sie mit einer Bitte behelligen! Wie mir hiesige Freunde hinterbrachten und jetzt auch Briefe aus dem Norden erzählen, steht in einem der neueren Blätter der Hamburger Zeitung (und zwar wie man hier mir sagt des deutschen Beobachters), eine Nachricht, daß ich katholisch geworden!! Ich lachte im Anfang über die Albernheit; aber wie ich jetzt höre erregt sie im Norden Aufsehen. Ich nehme, da Sie es gewiß selbst unter meiner Würde halten würden, wenn ich unmittelbar die Unwahrheit kund machen wollte, meine Zuflucht zu Ihrer Freundschaft, indem ich Sie bitte, in dem deutschen Beobachter (gleichviel ob die erste Nachricht wirklich in diesem Blatt oder einer andern Hamburger Zeitung gestanden), eine Berichtigung einrücken zu lassen. Sie kennen über diesen Punct meine Gesinnung aus unsrer letzten Unterredung; (dazumal wußte ich von der Nachricht noch nichts), und wie ich wohl in der Welt zu nichts weniger geneigt bin, als zum Renegaten in irgend einem Sinn. Haben Sie die Güte, in jenem Artikel ausdrücklich zu sagen, daß seiner ganzen Gesinnung nach schwerlich jemand davon entfernter, als ich seyn könne. Wär’ es schicklich, dabey zu erwähnen, daß die nächstens erscheinenden Weltalter hierüber wie über noch Vieles andre Licht verbreiten werden, so wär’ es mir nicht unlieb. Zugleich wünschte ich, daß Sie den Redacteur in Ansehung aller mich betreffenden Nachrichten warneten. Ich vermuthe darinn wieder die Freundschaftshand des Herrn Böttiger. Vielleicht hat dieser All-Erhorcher irgend wo meine Absicht ausgehorcht, in’s protestantische Deutschland je eher desto lieber zurückzutreten, und meynt, damit den Weg zu verschließen.

Ich bedaure noch immer, daß Sie so kurze Zeit hier verweilt; über tausend Dinge hätte ich so gern mit Ihnen noch gesprochen.

Mein guter Bruder ist eben, so viel ich schließen kann, noch immer nicht ganz außer Gefahr; diese Empfindung liegt sehr schwer auf mir.

Unter den herzlichsten Empfehlungen auch an Ihre Frau Gemahlin wie immer
Ihr
treuerg[e]b[en]ster

Schelling

N.S.

In einem Brief schreibt man: jene Nachricht werde »mit Umständen gemeldet«. Sollten diese Umstände von der Art seyn, daß sie ebenfalls einer Berichtigung bedürfen, so bitte ich freundschaftlich auch darauf Rücksicht zu nehmen.