Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Es gereicht mir zu großem Vergnügen, Ihnen, innigst Verehrter und theurester Freund, endlich die Nachricht geben zu können, daß mein Werk über Mythologie endlich fertig geworden ist und sich bereits im Drucke für Sie befindet. Allein es hat nun natürlich eine größere Ausdehnung erhalten, als die anfänglich beabsichtet war, aus 12 höchstens 14 Vorlesungen sind 36 geworden und aus 24 Bogen auch, und zwar, weil die Vorlesungen größer sind, in einem größeren Verhältniß, eine bedeutend ansehnlichere, jedoch jetzt noch nicht genau zu bestimmende Zahl. Ich hatte diese Schrift angefangen in der Absicht, einen bloßen Vorläufer aus ihr zu machen und Manches hier noch nicht auszusprechen, was ich den Weltaltern als rein philosophischem Werk vorbehalten wollte. Nachdem ich mich lange vergebens bemüht, dieß zu leisten, sah’ ich endlich die Unmöglichkeit ein; ich mußte tiefer in die Sache eingehen. Dadurch war nun aber auch die ganze Anlage des ersten Entwurfs vorn herein zu enge geworden, und ich mußte mich entschließen, so schwer mir das Opfer fiel, den ersten Druck zu cassiren, das Ganze von vorn zu schreiben und drucken zu lassen. Ich sehe nun erst, nachdem das Ganze geschrieben, wie sehr ich Ursache habe, mit dem veränderten Plane zufrieden zu seyn. Weit entfernt, dem rein philosophischen Werk etwas entzogen zu haben, fühle ich mich im Gegentheil durch das gegenwärtige von einer großen Last von Ideen und Combinationen befreyt, die sich in so vielen Jahren bey mir angehäuft hatten, und welche alle in Einem Werk zu verarbeiten über meine Kräfte ging. Nun werde ich mit bedeutend erleichtertem und freyerem Geist an dieses gehen. Inzwischen wird, hoffe ich, das mythologische Werk von dem Publicum mit Freude und Interesse aufgenommen werden. Es gibt, was die Resultate betrifft, den lang gewünschten vollständigen Aufschluß über den Sinn meines Systems, auf eine Weise, daß wenn ich heute die Feder niederlegte, niemand mehr darüber zweifelhaft seyn könnte, und dennoch erregt es ebendarum nur um so mehr Begierde, die ganze Entwicklung von Anfang an kennen zu lernen. Dabey ist der Vortheil, daß alles nur indirect und tanquam aliud agendo gesagt und durchaus zugleich geschichtlich belegt ist, wodurch diese Ideen vorläufig einen leichtern Eingang als durch einen directen und dogmatischen Vortrag finden. Das Buch verbreitet sich zugleich so weit über alles Angränzende (Religion, Offenbarung, Christenthum u.s.w.) daß ich, bey der Mühe, die ich mir mit dem Styl und für eine allgemein-anprechende Darstellung gegeben habe, auch nicht zweifle, es werde allgemein gelesen werden und sich viele Freunde erwerben.

Ich hoffe, theurester Freund, Sie sollen mit dem Allen zufrieden seyn. Weniger weiß ich, ob Sie es mit meiner Veranstaltung des Drucks seyn werden. Ich habe dabey ganz auf Ihre Güte, und die mir früher verstattete Freyheit gerechnet. Nur habe ich mich über das Format und die Ausgiebigkeit des Drucks in etwas getäuscht. Bey der weit größeren Zahl der Vorlesungen hatte ich Herrn Junge den Wunsch erklärt, ein zwar immer noch mittleres doch größeres Format zu wählen, wodurch der Druck etwas mehr zusammengehe. Allein der Erfolg hat meiner Erwartung nicht entsprochen, und es war jetzt, da die messe so nahe vor der Thür ist nicht mehr Zeit eine Abänderung zu treffen. Auch war einmal das Papier angekauft. Ich mußte also dem Druck seinen Lauf lassen: erschrecken Sie aber nicht, wenn das Ganze nun nicht bloß 2 (dieß war auf keinen Fall vermeidlich, da ich ein auf allgemeine Lesbarkeit durchaus berechnetes Buch auch in einem bequemen Format erscheinen lassen wollte) sondern vielleicht gar 3 Theile, jeden zu 24–30 Bogen gibt.

Herr Junge überschickt Ihnen anliegend den 1sten Probebogen (die folgenden sollen regelmäßig nachkommen) und wird Sie, soviel ich aus seinen Reden merken konnte zugleich wieder um eine vorläufige Bezahlung angehn. Als ich den Entschluß faßte, das Werk neu drucken zu lassen, unterhandelte ich mit ihm wegen eines billigen Abkommens in Bezug auf die erste Auflage. Er berechnete mir die Kosten zu 148 fl. Sollte er von Ihnen bereits mehr erhalten haben, so bitte ich, mich solches wissen zu lassen. Ich hoffte, im Stande zu seyn, diese 148 fl. ihm sogleich zu bezahlen, aber meine Umstände haben es nicht verstattet. So unbescheiden der Gebrauch ist, den ich von Ihrer Güte schon gemacht habe, hoffe ich, Sie werden doch auch noch dieses für mich thun, und auf Abrechnung des nach Vollendung des Werks und genommner Einsicht ganz von Ihnen zu bestimmenden Honorars obige Summe nicht Herrn Junge jetzt abziehn, sondern als eine mir vorgestreckte betrachten.

Es wird, da nun Einmal das Eis gebrochen ist, mein eifrigstes Bestreben seyn, Sie, der alle Ursache gehabt hätte, mit mir höchst unzufrieden zu seyn, zufrieden zu stellen, und das Vertrauen, das Ihre Freundschaft nicht aufgehört hat, in mich zu setzen, auf alle Weise zu rechtfertigen.

Erhalten Sie mir Ihre gütige Gesinnung und sey’n Sie dagegen meiner innigsten Hochachtung und treusten Ergebenheit versichert

Schelling.