M˖[ariä] Eins˖[iedel] den .
Liebste Mutter!
Sie müssen schon wieder einmal mit einem bloßen Schreiben von mir vorlieb nehmen; Pauline wird sich darauf beschränken, Julchen einige GeschäftsFragen zu beantworten. Das gute Kind kann wirklich heute früh nicht mehr leisten, und heute Nachm˖[ittag] ist zu einem kleinen Ausflug nach Nymphenburg bestimmt. Ich will einmal den Schleyer von unsrem Geheimniß hinwegziehen, Paulinchen ist guter Hoffnung und befindet sich allen Anzeigen nach schon im zweyten Monat. Ich kann mir denken, liebste Mutter, wie diese wenigen Worte auf Sie wirken; ich beurtheile Ihr Gefühl nach meinem eignen; Freude und Erstaunen, Wonne und Sorge haben in meiner Brust gewechselt. Die ersten Anmeldungen bestanden in leichten Schaudern, die nur kurze Zeit dauerten und meist mit Scherzen vertrieben wurden. Diese, wie ein kleines Gewitter aufsteigender Bewegungen, dieser erste Übergang der Natur war – ich möchte sagen entzückend schön und kein Gefühl von Schmerz dabey. Allmälig ist es nun ernster geworden, und der Vormittag wenigstens wird meist in Übelkeiten zugebracht. Erbrechen ist selten; das erstemal nach dem Wiebeking ’schen Diner, wo sie sich den Magen mit Melonen oder etwas der Art verdorben haben mochte, und jetzt, seit 4–5 Tagen, einigemal vor dem Frühstück wo es sie um so mehr angreift als sie nichts im Magen hat. Sie soll aber künftig nicht aufstehen ohne das Frühstück bereit zu finden. Seit dieser Zeit habe ich denn auch ärztliche Hülfe und Erleichterung gesucht und mich dem Geh[eim]R˖[ath] Fischer, Leibarzt der Königin, vertraut, der mit Freude dieses Geschäft übernommen hat und von dessen Besorgung ich mir um so mehr gutes verspreche, als er persönliches Interesse an Pauline nimmt, die, wie zu Gotha, so auch in München bald aller Herzen für sich gewonnen. Dieß hindert mich jedoch nicht zu wünschen, daß der Onkel, der Paulinens Natur seit so langer Zeit kennt, uns seine Rathschläge mittheile, wie theils der unangenehme Zustand des Übelseyns zu erleichtern seyn möchte, theils welche Diät Pauline zu beobachten hat. Bey gleichen Zuständen sind für verschiedne Naturen nicht alle Mittel gleich gut. Fischer hat ihr verordnet 1) Pulver aus Magnesia alba und Sal essent˖[iale] Tartari. 2) Seltser Wasser mit Wein und Zucker – mitunter ein Glas Champagner, lauter Mittel, bey welchen eine starke Entwicklung von Kohlensäure stattfindet überhaupt Säuren. Haben Sie die Güte, dieses Herrn Hofmedikus Stieler lesen zu lassen, er würde mich äußerst verbinden, wenn er zu diesen Mitteln irgend ein Hausmittel oder einen guten Rath hinzuzufügen wüßte. Sollte er etwa, aus besondrer Rücksicht auf P[auline]’s Natur, diese Mittel weniger zweckmäßig finden, so würde er mich vielleicht in Stand setzen können, auch Herrn von Fischer darauf aufmerksam zu machen. Bey alle dem hatte Pauline bis vor etwa 8 Tagen noch recht guten Appetit, oder vielmehr Hunger ja bisweilen wahren Heißhunger; außer den Zeiten des Paroxysmus war ihre Gesichtsfarbe erhöht, ihr ganzes Aussehen noch besser als sonst; seit einigen Tagen sieht sie auch gewöhnlich etwas angegriffen, doch immer noch recht gut aus. Am besten bekommt ihr Fahren, und Bewegung überhaupt. Am ersten fehlt es nicht, da wir so oft im Fall sind nach der Stadt zu müssen, wie noch unlängst bey Aufführung der Oper Merope: Ein herrlicher, unbeschreiblicher Genuß. Mlle Häser und Brizzi, nebst diesen die ersten Sänger und Sängerinnen unsrer Oper. Wir waren in einer Loge mit Wiebekings; Pauline war entzückt und hat sich trefflich darauf befunden. Einigemal, bey den letzten Regentagen wurde eine Spazierfahrt veranstaltet. Sobald sie nur im Wagen ist und so lang es hübsch vorangeht, verliert sich die Unlust. Fischer ist so sehr für Zerstreuung und Bewegung, daß er nicht nur bewilligt, daß er gerathen hat, P˖[auline] auf die Reise nach Augsburg und Nürnberg mitzunehmen. Ohnedieß hätte ich nicht über’s Herz gebracht, sie zurückzulassen. Nächsten Donnerstag also, den geht es so Gott will nach Augsburg, dort werden wir wohl 2 Tage bleiben; am gehts nach Nürnberg, wo der Aufenthalt wohl 3 Tage dauern wird, was mich besonders für P˖[auline] sehr freut. Bey der letzten Durchreise fand ich für gut, bey dem abscheulichen Regenwetter den ganzen Tag in’s Bett zu liegen; P˖[auline] sollte erst mit Schubert und den Freunden die Merkwürdigkeiten der Stadt ohne mich sehen, allein der heftige Regen und das Gefühl eignen Mißbehagens hielt sie zurück, so daß sie von dieser Stadt nichts als unsern Gasthof und einige Straßen gesehen hat. Im ganzen werden wir wohl 9–10 Tage unterwegs seyn. Es ist viel Artigkeit von Langer, daß er keine weitern Umstände gemacht, dieß ist P˖[aulinen]’s Verdienst, die wie vor jedermanns, so auch vor seinen Augen Gnade gefunden. Ich bot ihm erst an, jemanden von seiner Familie mitzunehmen, ich wollte die Reise in eignem Wagen mit meiner Frau machen, die ich nicht zurücklassen könne; allein er willigte nicht bloß ein, sondern bat sich auf die artigste Weise von der Welt aus, daß wir noch alle drey zusammenfahren. Ich wünsche nun freylich, daß die Beschwerden nicht zu groß werden; da es eine Amtsreise ist, so könnte und dürfte ich unterwegs nicht länger bleiben. Der Himmel wird helfen, der uns schon so offenbar geholfen, uns so sichtbar zusammengeführt hat. Dieses ist auch der Grund meines Vertrauens für die Zukunft. Nächstdem rechne ich auf den Beystand, den Sie mir für diesen Fall schon zum Voraus zugesagt; und auch Pauline nimmt schon ihre Maßregeln als hätten wir morgen Schwester Julchen zu erwarten. Haben Sie die Güte, unser Geheimniß vor der Hand in Gotha noch nicht bekannt zu machen. Hier weiß noch niemand davon, außer Fischer; der guten Köhler, die wieder P˖[auline] besuchte und auf alle Weise ihre Zuneigung gegen sie zeigt, rieth ich P˖[auline] selbst es mitzutheilen, weil eine solche Mittheilung in Zeiten meist als der größte Freundschaftsbeweis angesehen wird. Bey großen Herrn wird immer die Hälfte der Zeit erwartet; wir sind zwar unsrer Sache ganz gewiß; indeß kann es auch nicht schaden eine Weile damit zurückzuhalten.
In Ihre Freude, liebe Mutter, an der ich keinen Augenblick zweifle, werden sich wohl Besorgnisse mancherley Art mischen. Indeß bitte ich Sie, diesen nicht zu viel Raum zu geben. Was in menschlichen Kräften liegt soll gewiß geschehen, an keiner Art von Erleichterung, von Aufheiterung soll es fehlen; ich bitte Sie ebenfalls dazu mitzuwirken, und recht oft und viel zu schreiben, (von allem was P˖[auline] vergnügt, ist dieß das Größeste) und ihr keine Vorwürfe zu machen, wenn sie nicht schreibt, indem es sie wirklich angreift, wie Sie aus dem heutigen ansehen werden.
Von Augsburg und Nürnberg erhalten Sie sicher Nachricht; wären es auch nur etliche Zeilen; denn es wird da nicht viel übrige Zeit seyn. –
Leben Sie indessen wohl; wir grüßen und umarmen die Schwestern auf’s Zärtlichste. Allen Verwandten unsern herzlichen Gruß.
Ich bin, liebste Mutter, mit der innigsten Liebe
Ihr
treugehors˖[amster] Sohn
S.
N.S.
Wenn es möglich ist lassen Sie uns einen Brief nach Nürnberg, unter Addresse des Buchhändlers Herrn Johann Leonhard Schrag, zukommen. Wir werden vom dort seyn.
Einen Gegenstand habe ich vergessen. Ich wünsche sehr einen jungen Menschen zu bekommen, der Bedientendienste versehen könnte und zugleich eine gute, wo möglich kanzleymäßige Hand schriebe. Hier zu Lande sind dergleichen Individuen sehr selten. Bey Ihnen denke ich sind Sie desto eher zu finden. Einem solchen Menschen würde ich 200 bis 250 ja 300 Gulden Lohn geben. Ich bitte Sie, wo möglich sich nach einem Menschen der Art umzuthun, wär’ es auch durch Hülfe des Reichsanzeigers. Die Qualitäten des Bedienten dürften unter der eines Abschreibers nicht leiden; auch müßte er sonst gute moralische Eigenschaften haben. Er könnte eintreten von . Ich müßte erst eine Probe seiner Hand sehen.