A
Madame Madame
Gotter née Stieler
à
Fr˖[ey] Coburg
München den .
Auch heute wieder kommt die Reihe des Schreibens an mich liebe Mutter. Pauline hat noch immer nöthig, sich zu schonen, ob sie gleich jetzt wohl ist. Der war etwas ängstlich für uns gewesen; in dem Verhältniß als das Übelseyn aufhörte stellte sich ein andres Phänomen ein, das mich, ängstlich wie ich bin, eine zu frühe Niederkunft besorgen ließ. Pauline hat sich, grade in dieser Übergangszeit, zu sehr angestrengt. Sie wollte die Zügel der Haushaltung gleich recht ergreifen, und hatte aller Warnungen ohngeachtet sich viel in der Küche aufgehalten und im ganzen Haus herumgetrieben. Auch mochte die Gemüthsbewegung wegen meines guten Vaters beygetragen haben. Ich verschwieg ihr alles, so lang’ ich noch Hoffnung hatte; als ich den Trauerbrief erhielt, fieng ich an sie vorzubereiten; allein ein nachfolgender Brief mit schwarzem Sigel, der durch ihr Zimmer getragen wurde, verdarb alle meine Vorsicht. Dem Himmel sey Dank, sie ist seit wieder wohl, guter Dinge, und nach der Versicherung ihres Arztes außer aller Gefahr. Der, ohnedieß nie starke, fast unbedeutende Blutverlust hat völlig aufgehört; die gefährliche Zeit ist beynah’ vorüber, und hält sie sich jetzt, wie ich hoffe, ruhiger, so dürfen wir keine Wiederkehr des beunruhigenden Zustandes erwarten. Herr von Fischer hat mit der größten Theilnahme täglich den Weg von Nymphenburg hieher gemacht um die Kranke zu besuchen; eine zu rechter Zeit angeordnete Aderläße hob alle bedenklichen Umstände fast augenblicklich. Alle Freunde, besonders die gute Martini, haben herzlichen Antheil genommen. Frau von Schlichtegroll kam gestern selbst, nachdem sie vorher niemals hatte fragen lassen; Abends schickte auch die Hambergern’, wahrscheinlich für den durch˖[lauchtigen] Prinzen der sich viel bey ihr aufhält. Wir hatten ihn noch nicht gesehen. Ich war einmal dort ohne ihn zu finden, schrieb aber meinen Namen auf. Wahrscheinlich sind es die Gotha’schen Freunde, die es verhindern. Es ist dieß so ihre Art, ob ich gleich nicht absehe, was sie dadurch gewinnen. Von verschiedenen Personen aus Gotha, die hier gewesen sind, haben wir noch nicht eine gesehen. Es ist mir nur leid, daß Paulinchen nun meinetwegen, wie es scheint, um die Freude kommt, den guten Prinzen zu sehen, der sich hier recht wohl gefällt und bey Hof gern gesehen ist. – Schlichtegroll ist, wie immer, in’s Gesicht freundlich, aber er grollt mir jetzt sehr im Herzen, wegen der neuesten Veränderungen bey der Akademie durch die er fast allen Einfluß bey derselben verloren und die er, höchst sonderbarer Weise, durch mich bewirkt glaubt. Es ist unbegreiflich, welcher Kleinheiten diese Menschen fähig sind, Pauline kann sich nicht genug wundern, wenn sie dergleichen hört und meynt jedesmal, ich hätte noch viel zu wenig gesagt. – Ich bin froh, von allen diesen unaufrichtigen Verhältnissen frey zu seyn. Die wenigen Freunde, mit denen wir umgehn, Martinis , Gaertners , Fischers , Stengels meynen es desto besser. Überhaupt bedürfen wir nichts außer uns. – Pauline hat sich 2 recht hübsche Zimmer eingerichtet; das eine (ihr Wohnzimmer) blau, (das Vorzimmer) gelb tapezirt. Leider hat sie noch nicht dazu kommen können es zu bewohnen. Sie wohnt einstweilen neben mir an, wodurch freylich meine Studien gewaltig gestört werden. Pauline grüßt und küßt die liebe Mutter herzlich. Sie wünscht, daß die Kiste noch nicht abgeschickt werde bis zu den nächsten Briefen, weil es vielleicht besser einzurichten ist, wenn sie unmittelbar hieher kommt. Julchen bittet sie, ihr auf dem Jahrmarkt zu kaufen, was sie eben gut findet. Baumwollenen und seidenen Düll (von jedem etwa für ein fl.) weißen Mull, gestickten und ungestickten von jedem ein Paar Ellen, von gewöhnlichem Mußelin 2 Ellen, von Battist-Mußelin 5 Ellen; feines Westenzeug zu 1 Paar Westen, die sie mir, wie ich eben hören muß, zu bescheeren will und was Julchen sonst für Paul˖[ine] brauchbar findet. Die gefärbten Caßler Handschuhe nicht zu vergessen. Dürfte ich um etwas für mich bitten, so wären es einige Stücke ächt eng˖[lischer] Nanquin, wenn dergleichen noch zu haben ist. Ich würde mich darüber mit Paul˖[ine] oder Julchen berechnen. Noch fällt Paul˖[ine] ein Caßler Strickkörbchen bey, das sie wohl haben möchte. Ich muß nun schließen, sonst nimmt es kein Ende. Jetzt äußert sie gar noch, die liebe Mutter sollte ihr auf dem Jahrmarkt alles kaufen, was zu einem Kindszeug gehört; den es machen und auf’s mitbringen. Sie kennen ihre artige Unart, womit sie um alles zu bitten versteht. Dem Himmel sey Dank, daß sie wieder wohl ist und alles gut geht. Sie hat das Glück gehabt, 2 sehr gute Mädchen zur Bedienung und in die Küche zu bekommen; den Bedienten habe ich unter diesen Umständen sacrificiren müssen. – – Wir bitten Sie noch liebe Mutter in unsrer beyder Namen Herrn von Hoff unsre herzliche Theilnahme zu bezeugen. –
Leben Sie wohl, liebste Mutter, und vergessen Sie uns nicht.
Ihr
treugeh˖[orsamster] Sohn
Fr. S.
P˖[auline] wünscht zu wissen, was denn Löffler von seiner Entrevue mit Dr. Spix erzählt. Ferner Briefe von der I. Rügen. – Briefe von Lottchen
Kommt denn der Abschreiber? Je eher desto lieber. Es wird ihn gewiß nicht bereuen.