Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Nächst der Freude, unsre liebe Pauline allmälig wieder aufleben zu sehn, ist diese mir die größte, Ihnen, liebe Mutter, beruhigende Nachrichten von ihr zu ertheilen. Sie gewinnt allmälig auch wieder an Kräften, geht allein im Zimmer umher und hat bey dieser Gelegenheit die angenehme Überzeugung gewonnen, an gutem Aussehn eher zu- als abgenommen zu haben. und war ein Freudentag. Sie errathen schon, daß die Sachen aus Gotha angekommen waren. Das Faß ging die Treppe nicht herauf, sein Eingeweide ward im Vorplatz des Hauses ausgeleert, dann heraufgebracht und alle Herrlichkeiten vor P˖[auline], die dabey im Bett thronte, ausgebreitet, der Berg der schönen herrlichen Betten, die Zierlichkeiten alle, von ihren Hüllen befreyt, konnten auf einem kleinen Tisch zur Schau gestellt. Es fehlten einige Kleinigkeiten, als eine Obertasse von der beliebten Mundtasse, die Wachsstockschere u.s.w. es mußte also die Kiste am nämlichen Nachmittag auch noch dran, wo sich doch alles Fehlende fand; die zweyte Kiste mit dem zierlichen Körbchen wurde am andern Morgen geleert; dieses war gut erhalten nur unten an den 4 Seiten hatte es sich abgescheuert. – Pauline war ganz gerührt von der Güte der lieben Mutter und erwartet mit Ungeduld den Augenblick, da sie ihr selbst zu danken vermag. – Gestern Vormittag wurde bestimmt, alles auszulesen, Tisch- und Bettwäsche, auseinander zu legen, jedes zu zählen und jedes an seinen Platz bringen zu lassen; nichts fehlte, das Geschenk von Julchen, der verehrten Tante Meyer, Rickchens Ohrringe p hat sie vor ihrem Bett behalten und läßt einstweilen allen aufs zärtlichste durch mich danken. Jetzt fehlte nichts, als daß die liebe Mutter, die Schwestern, die Verwandten allesamt selbst noch kämen; dann wäre der Freude und des Glücks keine Gränze. Inzwischen bittet sie nur um ausführlichere Briefe und Meldungen von Gotha, indem sie alles, auch das Kleinste interessirt. Mit Lottchen ist sie gar nicht zufrieden, und habe ich die kleine Tante viel zu lieb, um ihr all die Ausdrücke der allerhöchsten Unzufriedenheit meiner kleinen Gebieterin zu melden.

Da es mein Grundsatz ist, in allen Sachen soviel möglich auf dem was recht ist, zu bestehen, so überschicke ich Ihnen, liebe Mutter, beyliegende Papiere. Herr Stroß in Gotha hat das Gewicht der ganzen Lieferung zu 659 ## angerechnet; wahrscheinlich war niemand von Ihnen dabey als es gewogen wurde; auf dem hiesigen Wagzettel sehen Sie das Gewicht des Ganzen nur zu 550 ## angegeben. Vorausgesetzt die größtmögliche Verschiedenheit des dortigen und des hiesigen Gewichts, so kann sie doch nie 109 auf 550 betragen. Ich wünsche sehr und auch Pauline, daß Sie diesen Mann wegen seiner Betrügerey zur Rede setzen und auf Herausbezahlung des Zuviel Angerechneten bestehen.

Pauline bittet auch, die Briefe doch immer Dienstag und Sonnabend abgehn zu lassen, weil sie dann viel früher nämlich in 5 statt in 8 Tagen ankommen.

Wegen Ihrer Fürsorge, liebe Mutter, mir noch Geld zu schicken, danke ich Ihnen herzlichst. Ich bedarf es nicht; Pauline ist so gute Haushälterin, weiß alles so einzurichten, daß ich bis jetzt in keine Verlegenheit gekommen bin. Überhaupt wenn Sie außer dem Reichthum, der jetzt in unser Haus gekommen, noch etwas, nämlich Geld, für P˖[auline] bestimmt haben, so lassen Sie es ja stehen, wo es ist. Trägt es Interessen, so wird sich gewiß Gelegenheit finden, diese in Gotha auszugeben, wo nicht, so ist es für Pauline immer angenehm, wenn auch nur 6 rh. zu ihrer ganz eignen Disposition zu erhalten.

Was das Anliegen betrifft, das Sie nun in einem frühern Brief mitgetheilt haben, so läugne ich nicht, daß es mir etwas frühzeitig vorkam; ich danke aber Ihrer mütterlichen Zärtlichkeit darum. Ermahnen Sie nur wie im heutigen zum Besten; jedes Wort, das P˖[auline] Vorsicht und gemäßigte Lebhaftigkeit, Schonung u.s.w. anbefielt ist wahre Wohlthat. Nehmen Sie dagen auch die Bemerkung freundlich auf, daß ich im Fall P˖[auline] je wieder in die vorigen Umstände kommen sollte, wie wir doch beyde wünschen müssen, keine Beruhigung vor mir sehe, als die Anwesenheit der lieben Mutter, und daß ich gewissermaßen für diesen Fall mich außer aller Verantwortung setzen muß. Es kann seyn, daß auch Manches von mir versehen worden aus gänzlichem Mangel an Erfahrung; aber Vieles zu verhindern stand und steht nicht in meiner Macht. Vielleicht liebe ich P˖[auline] zu sehr, und bin zu ängstlich. Ich fühle zu sehr, welch ein Gut mir durch sie geworden ist, um nicht besorgt zu seyn. Sie ist das liebste, beste Wesen; täglich erkenne ich mehr ihre unvergleichlichen Vorzüge, aber über ihre Lebhaftigkeit, die mich in so vielen Fällen entzückt, kann ich in andern nicht Herr werden.

Wir fühlen unser Glück doppelt, in einem Augenblick da so viele Bande zerrissen werden. Es ist schrecklich, aber die gute Köhler hat ihren zärtlich geliebten Mann verloren. Er starb am auf einem einsamen Schloß in Litthauen am Nervenfieber und ist dort in der Kirche begraben. Als die Nachricht kam, beschloßen die Eltern , der guten Frau nur von seiner Krankheit zu sprechen; ich hätte das nicht gethan; 3 Tage blieb sie auf dieser Folter; doch lenkte ich Ihren Geist immer aufs Äußerste. Heute habe ich es übernommen, ihr die bestimmte Wahrheit zu eröffnen. Ich wäre fast lieber in eine Schlacht gegangen; aber sie hat sich verwundersam herrlich und schön gezeigt; ihre Ergebung, ihr ganzes Benehmen würde ich vergeblich zu schildern suchen. Der Familie ist dadurch ein großer Dienst geschehen. Auch für mich ist es ein harter Verlust. Köhler war ein trefflicher Mensch und einer von den Freunden, die für mich in den Tod gegangen wären. Die Freundschaft der Männer und der Frauen vereint hätte, bey der übrigen Gleichheit der Denkart und des Geschmacks, ein herrliches Verhältniß geknüpft. Auch Pauline verliert dadurch sehr. Wir werden schwerlich je eine Familie finden, mit der wir so Eins seyn, so ganz, wie mit Verwandten, zusammen leben können. Es ist ein schrecklicher Zustand der Dinge. – Dieser Monat hat mir viel geraubt.

Meine Mutter dankt Ihnen für Ihre Theilnahme; sie ist jetzt in Stuttgart, und bey meiner Schwester établirt. Vielleicht entschließt sie sich ein mal, uns hier zu besuchen. Wie schön, wenn Sie beyde zusammenträfen!

Die herzlichste Grüße und Empfehlungen an die lieben Schwägerinnen, Tanten und übrige werthe Verwandten. Ich küsse Ihnen die Hände, liebste Mutter und bin
Ihr
getreuester

S.

(Verzeihung für die Eile!)