Euer Hochwohlgeboren
leztes und vorleztes Schreiben würde ich bälder beantwortet haben, wenn wir uns nicht bis auf den vor Pauls Confirmation Hoffnung gemacht hätten, daß Sie Paul und uns durch Ihre persönliche Gegenwart erfreuen würden. Recht sehr haben wir es mit Ihrem Herrn Bruder, der Pauls Confirmation angewohnt hat, bedauert, daß Ihrem Vorhaben Hindernisse in den Weg getreten sind. Paul hat sich an dem Tage seiner Confirmation und seither so gezeigt, daß ich die gute Hoffnung habe, jene heilige Handlung habe einen tieferen, bleibenden Eindruck auf sein Herz gemacht. Was ich zu Belebung und Erhaltung desselben thun konnte, glaube ich gethan zu haben, und werde es auch ferner thun. Der Vorbereitungsunterricht, den er von unserem Herrn Doctor Wurm erhält, war gewiß sehr zwekmäßig. Lezterer, dem ich vor ein paar Tagen im Namen meiner Zöglinge und ihrer Eltern für seine bisherige Sorgfalt gedankt habe, hat mir aufgegeben, Ihnen seine hochachtungsvolle Verehrung zu bezeugen. Pauls ganzes Betragen hat sich seit jenem ernstlichen Auftritte, von dem ich Ihnen geschrieben habe, gebeßert, und drohenden Recidiven konnte leicht begegnet werden. Was mich am meisten bey ihm beunruhigt, ist die heftige Reitzbarkeit seines Temperaments, die sich, wie ich neuerlich erst bemerkt, auch in seinem Körper, durch Zittern der Hände, Beben der Lippen, zu erkennen gibt. Seine Gesundheit ist jedoch bis jezt noch nicht dadurch angegriffen worden; denn diese ist bey Ihren beyden Söhnen ununterbrochen gut. Ich glaubte Ihnen diese Reizbarkeit seines Wesens hier nur darum bemerken zu müßen, weil auf sie bey der Bestimmung seines künftigen Aufenthaltsorts, die jezt in Betracht kommt, Rücksicht genommen werden zu müssen scheint. Bis auf den – das glaube ich jezt bestimmt versichern zu können, wird er in seinen Kenntnissen so weit kommen, daß er in eine höhere Bildungsanstalt übergehen muß.
Das Stuttgarter Gynmansium hat gegenwärtig, was die Lehrer betrifft, große Vorzüge aber für Pauls geistige Individualität wäre nach meiner und Ihres Herrn Bruders Ansicht die lebhafte Residenz kein gesunder Aufenthaltsort. Zuträglicher wäre gewiß für ihn die Abgeschiedenheit eines unserer Seminarien, die gegenwärtig gleichfalls recht gut mit Lehrern besezt sind. Sollten sich Euer Hochwohlgeboren entschließen, diesen Weg mit ihm einzuschlagen, so würde ich es recht gerne auf mich nehmen, die weitere Einleitung zu treffen, um ihn als hospes in dem geeigneten Seminarium gut unterzubringen.
Was Sie in Beziehung auf Ihren zweyten Sohn in Ihrem lezten Schreiben bemerken, hat mir, um es aufrichtig zu sagen, wehe gethan. Lezterer hat, sicherlich angespornt durch die Aussicht auf die öffentliche Prüfung, mehr Fleiß, als bisher, gezeigt, und in einzelnen Pensen recht erfreuliche Fortschritte gemacht. Ich fürchte, er möchte, wenn dieser Sporn wegfällt, wieder nachlassen. Deßwegen habe ich ihm von Ihrem Entschlusse noch nichts gesagt, in der Hoffnung, daß Sie sich vielleicht doch noch zu einer Eingabe an die Studiendirektion entschließen. Bey dieser bedarf es gewiß außer einem ganz einfachen Gesuche mit Berufung auf den vorbehaltenen Regreß nichts, um die Erlaubniß für Friz zur Admission auszuwirken. Meinen, im zu Weißenburg verstorbenen Oheim wurde ein ähnliches Gesuch ohne alle Schwierigkeit bewilligt.
Unter unserer hochachtungsvollsten Empfehlung an Sie und Ihre verehrteste Frau Gemahlin
beharre ich
Euer Hochwohlgeboren
gehorsamster Diener
R˖[ector] Planck
Nürtingen den .