Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Hoffte ich nicht, geliebter Freund, daß Dir das Gerücht irgendwoher meine neuesten Lebensereignisse zugetragen, so hätte ich viel zu schreiben, um Dir einigermaßen zu erklären und mich zu entschuldigen, daß ich in so langer Zeit auf Deine freundschaftlichen Briefe, besonders den letzten vom , der Deine Abhandlung vom Ursprung der Bayern begleitete, nicht geantwortet. So aber glaube ich mit dem Geladenen im Evangelio kurz sprechen zu dürfen: ich habe ein Weib genommen. Dazu brauchte ich der Hin- und Herreise wegen 6 Wochen; als ich zurück war, fand ich eine solche Menge von unaufschieblichen Arbeiten, als noch nie der Fall war, weil durch die neuesten Veränderungen bei unserer Akademie der Wissenschaften jetzt auch von dieser Seite mehr Ansprüche an unsre Zeit und Kräfte gemacht werden.

Nun zuerst meinen herzlichsten Dank für die Uebersendung Deiner Abhandlung vom Ursprung des bayrischen Volks, die mich als von Dir kommend und des Gegenstandes wegen doppelt, als Freund als bayrischen Patrioten, interessirt hat. Ich möchte sagen, Deine Gründe sind so einleuchtend, daß sie sogar mich, einen bloßen Laien, überzeugt haben, dem Mannert’s und Pallhausen’s Meinungen schon immer theils unnatürlich theils abgeschmackt vorgekommen sind. – Ich glaube, Deine Abhandlung wird hier viel Aufsehen machen, weil man sich von oben herab für diese Untersuchungen und ihr Resultat sehr interessirt. Alle sinnigeren Leser in Bayern werden Dir großen Dank wissen. Mannert’s Hypothese hat allgemeine Indignation, wie billig, erregt; Pallhausen’s Roman wird nach Gerechtigkeit beurtheilt; ich zweifle, ob außer ihm noch Viele auch nur an den Hauptsatz, geschweige an die weiteren Ausführungen glauben. Ihn selber wirst Du wohl kaum zu überzeugen hoffen, da er nach dem epischen Schwung, den die Sache einmal in seinem Kopf genommen, seinem ganzen Naturell gemäß schwerlich davon abzubringen sein möchte. – – Du kannst mir keine größere Freundschaft erzeigen, als wenn Du mich recht fleißig mit Beiträgen beehrst. Es ist mir von vielen Seiten und manchem bedeutenden Manne Unterstützung zugesagt. Eine solche Zeitschrift, die das Ganze unserer deutschen Wissenschaft und Bildung umfaßt und Festigkeit und Männlichkeit des Urtheils mit Freimüthigkeit verbindet, scheint ein wahres Bedürfnis zu sein.

Ich hoffe nun auch wieder ganz in Ruhe der Wissenschaft zu leben. Das Erste, was von mir erscheint, ist eben diese Zeitschrift. Zu kommen die Weltalter.

Ich wünsche von Dir 1) eine Anzeige von Breyer’s Geschichte des 30jährigen Kriegs, 2) eine von Mannert’s Kaiser Ludwig, der Dir ja hoffentlich zugeschickt worden. Uebernimmst Du dieselben, so bemerke ich, daß dem Zweck meiner Zeitschrift nur solche Anzeigen gemäß sind, in welchen der Verf˖[asser] zugleich auf eigne Untersuchungen eingeht, und die gewissermaßen auch als Abhandlungen gelten können. – Die »Teutsche in fremdem Sold« lasse mir doch zukommen, sobald es möglich. Deinen Herzog Christoph, der ja doch zuerst für den Hofcalender bestimmt war, möchtest Du wohl nicht meiner Zeitschrift überlassen? Die Größe des Aufsatzes darf Dich nicht abhalten, wenn Du keine anderen Gründe hast. – –

Ich bin mit der herzlichsten, unverbrüchlichsten Freundschaft ganz
der Deinige

Schelling.