Schelling

Schelling Nachlass-Edition


À Monsieur

Monsieur Martin Wagner

peintre pensionnaire de S˖[a] M˖[ajesté]

le Roi de Bavière, membre

correspondent de l’academie

de Munich

Rome

al Café greco.

fr[an]co

Da ich auf alle Briefe, so ich Ihnen zur Franzosen zeit geschrieben, keine Antwort erhalten, muß ich Ihnen nun wieder schreiben, um Sie zu erinnern, daß Sie noch einen Freund meines Namens in der Welt haben. Es verlangt mich ungemein zu wissen, wie Sie leben, wie es Ihnen geht, was Sie arbeiten, warum Sie so still sind? Hoffentlich sind Sie an einem großen Werk beschäftigt. Lieber Freund, lassen Sie sich doch durch Nichts abhalten, alles das zu thun und erfüllen, wozu Sie von Natur berufen sind. Sie dürfen nur wollen, um etwas Außerordentliches zu leisten. Denn das gewöhnliche Kunstwesen, wie es so fortgeht und allgemein getrieben wird, ist nichts für Sie. Sie sollen und müssen Ihren eignen Weg gehen. Bey uns ist es nun auch wieder leidlich; auch ich denke wieder darauf, etwas Rechtes zu thun und zu wirken; vorher war ein solcher dumpfer Druck, der sich auf alles erstreckte, daß man an nichts denken konnte. Wahrscheinlich haben Sie gehört, daß ich mich wieder verheyrathet. Ich kann nicht anders sagen als daß ich glücklich bin; auch habe ich jetzt einen kleinen Jungen voll Leben, der mir nicht wenig Vergnügen macht. – Wegen der 800 fl., die Sie bey mir niedergelegt, bitte ich Sie ganz ruhig zu seyn. Können Sie die Summe noch entbehren, so ist sie gut aufgehoben; wollen Sie aber darüber verfügen, so bitte ich Sie mich nur eine Zeitlang vorher davon zu benachrichtigen.

Unsre hiesige Akademie der bildenden Künste hat Ihnen schon die Ehre angethan, Sie zu ihrem correspondirenden Mitglied zu ernennen. Ich hoffe, das Diplom soll Ihnen durch irgend einen Agenten unserer Regierung glücklich zukommen; noch mehr aber hoffe ich, daß Sie diese Ehre sollen zu schätzen wissen und nicht ermangeln werden, sich bey der Akademie recht höflich zu bedanken. – Doch vielleicht sind Sie noch immer der alte – – –.

Von München und wie’s hier steht, wird Ihnen Friz Gaertner genug erzählen können; daher ich mich dessen überhebe. Grüssen Sie diesen recht schön von mir.

Daß Sie jetzt wieder doppelter Unterthan von Bayern sind kann ich mir vorstellen wie Sie gefreut hat. Wahrscheinlich werden Sie sich jetzt an die Univ˖[ersitäts]Casse in Florenz wenden. Doch alles kommt nur darauf an, wie man’s anfängt. Sapienti sat!

Kann ich Ihnen hier zu irgend etwas Nutz seyn, so melden Sie es mir ja gleich.

So lang’ es auch her ist, daß ich nichts von Ihnen höre und sehe, bin ich doch in meinen Gesinnungen gegen Sie derselbe. Möchte mir so gut werden, einen Theil meines Lebens mit Ihnen zuzubringen! Mir ist als hätte ich mich nicht leicht mit einem Menschen so verstanden, wie mit Ihnen! Schreiben Sie mir ja recht viel von Ihnen selbst, von allen Ihren Verhältnissen und anderen Umtrieben. Wenn das große Werk fertig ist, über dem Sie brüten, müssen Sie doch einmal wieder den Fuß über die Alpen setzen. Dieß wäre für mich Labsal; denn wann ich dazu kommen werde, Sie, wie ich immer noch hoffe, in Rom zu sehen, das liegt wie Vater Homer sagt auf den Knieen der Götter.

Leben Sie recht wohl, mein theurester Giovanni, lassen Sie mich bald hören, wie es Ihnen geht und ob Sie auch meiner gedenken. Ich bin und bleibe wie immer
Ihr
Ganz erg[e]b[en]st[e]r

Schelling.