Sr. Wohlgebohrn
Herrn Prof. Dr. Kopp
Ich sehe schon, ich muß Ihnen schreiben, theurer Freund, um ein Lebenszeichen von Ihnen zu erhalten. Und doch sind Sie gewiß nicht so in Anspruch genommen wie ich. Meine Einsetzung als Gen˖[eral]Conservator, die nicht ohne Feyerlichkeit vor sich gehen sollte, hat sich bis verschoben. Die letzte Woche habe ich nun dazu angewendet, die mir untergebnen Anstalten kennen zu lernen, und dabey einen hartnäckigen Katarrh mir geholt.
Die Vorlesungen sollten am anfangen – aber da war keine Möglichkeit! Rector- und Senatorenwahl verlegt auf den Anfang des neuen Semesters! Noch fast keine Studenten, die erst in vergangner Woche und auch da noch nicht einmal alle ankamen; Unordnung und kein Ende! Ich werde nun, so Gott will, in der heute beginnenden Woche anfangen. Zuhörer haben sich aber noch nicht viele gemeldet. Doch fehlen wird es darum nicht. Die neuen Statuten sind auch noch nicht erschienen. Damit ist für Manche das Halbjahr gewonnen, denn so lange gilt der Zwang. Der König hatte auf der Reise nach Weimar unsres bekannten Freundes Schulschrift gelesen, der seine Philo-logie hauptsächlich dadurch beweist, daß er über alles gern das Wort nimmt. Bey seiner Rückkunft fand Er Statuten, die ihm nichts weniger als im Sinn der »Georgia Augusta« schienen, also schickte er sie an den Philologen, der nicht ermangelte, Anmerkungen zu schreiben, deren Fehler die Kürze nicht seyn mochte. Unter anderm war aber doch durch Zwischen-Examina und andre indirecte Nöthigungsmittel dafür gesorgt, daß künftig die theuren Philologie-Collegien nicht leer werden. Das gefiel dem richtigen Sinn des Königs auch nicht, und er wollte größere Freyheit als selbst der φιλόλογος, der den Mund davon so voll genommen hatte. Nun ein neuer Entwurf; in dem standen nur noch 1) neue Übersicht der Prüfungsgegenstände (die sich bald wieder in einen Studienplan verwandelt hätte) 2) Frequentationszeugnisse. Der kam jetzt an mich zu Bemerkungen; hierauf Bescheid, zum König zu kommen, der mit uns dreyen (Schenk, dem φιλολ˖[ογος] und mir) zwey Tage nach einander, mit angestrengter Aufmerksamkeit, einem Wohlwollen, ja einer Zärtlichkeit für die Studenten, der die Bengel, wenigstens die in Erlangen, nicht werth sind, allen Erörterungen folgte. Resultat (nachdem endlich der φιλολ˖[ογος] zu einiger Erkenntniß gekommen), daß jene Übersicht nicht als Verordnung dasteht und die Frequentationszeugnisse wegfallen. Kurz soweit völlige Freyheit. (Semestral- und Absoluterial-Prüfungen auf der Univ˖[ersität] ohnedieß nicht). Unser Freund ermangelte nicht, die große Ehre überall auszuposaunen sammt dem Erfolg, doch anerkennend, daß ich dem Faß den Boden ausgeschlagen; das kommt mir nun aber gar nicht zu gut, denn die Leute sehen mich drum an und ich stehe gewiß deßhalb bey Manchen im schwarzen Register. Auch schien mir das Ausplaudern an sich unanständig (daß es nicht am dritten Tag in der allg˖[emeinen] Zeitung stand hat nur Schenk verhindert), und nur weil Sie doch vielleicht davon gehört, zu Ihrer näheren Kenntniß diese kurzen Andeutungen! Nachdem alles fertig war, hat sich unser φιλολ˖[ογος noch die grammatische Verbesserung des ganzen Aufsatzes ausgebeten, (höchst unnöthig, denn das Meiste war gut), mit dieser Stylverbesserung gingen wieder ein paar Tage verloren; und das Semester hat jetzt nach der alten Weise angefangen; wie es im folgenden aussieht, wer weiß es? Doch, bey allem Schwankenden, und den vielen Gebrechen, die sich nach und nach entdecken, gebe ich keine meiner Hoffnungen auf; es ist doch für alles ein Kraut gewachsen, der König ist über alles vortreflich und wohlgesinnt, und es muß am Ende gut gehen. Mit den sogen˖[annten] Congregationisten stehe ich in manchen Berührungen; es sind manche Schritte geschehn, mich zu einem Besuch bey dem Philosophus Teutonicus zu bewegen, es unterblieb bis jetzt, weniger absichtlich als weil ich wirklich nie Zeit dazu hatte, indeß bin ich froh, ihn los zu seyn; er scheint sich vom Theater der Univers˖[ität] zurückziehen zu wollen, und einen andern Acteur statt seiner vorzuschieben, den berühmten Görres, den ich noch nicht gesehen, der aber, wie man behauptet auf Francisci nicht Baconi sondern Baderi Anstiften, mir in meine Stunde von 5–6 gefallen ist; zieht er die bloß Neugierigen oder Zwangsstudenten mir ab, so weiß ich ihm vielen Dank dafür. war Eröffnung der Ständeversammlung, der König sprach die Rede, die ich beylege, mit außerordentlicher Kraft; Sie können sich kaum vorstellen, wie königlich, und wie herzlich wohlwollend und liebevoll zugleich er sich benahm; ich meyne einen solchen König so gesehen zu haben war schon allein werth in München zu seyn. Überhaupt bin ich nun doch recht froh hier zu seyn, ob es mich gleich große Anstrengung kosten wird, allem Genüge zu thun, was man an mich fordert. Es fehlt mir nichts, als ein Freund, wie Sie. Siber hat mir sehr gefallen, aber wie mit Ihnen kann ich doch nicht mit ihm seyn.
Unsre zärtlichsten Grüße an unser liebes Lottchen, denn als unser seh’n wir sie immer noch an. Jetzt schreiben Sie doch auch einmal, und vergessen Sie insbesondre nicht, was Sie mir über Aristoteles versprachen. Frankiren Sie nicht. Von ganzem Herzen, wie immer, der Ihrige
Schelling
(Im Flug geschrieben für Sie Abend)