Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

Herrn Professor von Schelling in Erlangen.

Hochwohlgeborner Herr
Hochgeehrtester Herr Professor.

Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen hiemit das beikommende Exemplar meiner jüngsten litterärischen Arbeit zu überreichen. Ich glaube es von ihr sagen zu dürfen, daß sie im Geiste der Lehre abgefaßt sei, mit welcher Sie Deutschland erleuchtet haben und vielleicht ist es von Interesse für Sie, daß von dem Standpuncte dieser Lehre aus, den die deutsche Physik bisher leider noch so sehr vernachläßigt hat, durch meine Schrift bedeutende und weit verbreitete Irrthümer, die in Folge dieser Vernachläßigung bestanden, nachgewiesen und eine naturgemäße Richtung in diesem Zweige des Wissens eröffnet sei, die auf Anerkennung dringen kann und nicht bloß für die eigentliche Physik sondern auch für die Physiologie und speculative Naturwissenschaft überhaupt von Bedeutung zu sein verheißt. In dem Falle bitte ich Sie, diese Mittheilung als einen Ausdruck der Verehrung und des Dankes zu betrachten, mit welchen ich durch das Studium Ihrer Schriften auf immer für Sie erfüllt worden bin.

Ich erlaube mir, diesen Aeußerungen noch eine Bitte hinzuzufügen. Schon seit einiger Zeit fühle ich lebhaft das Bedürfniß, für meine Thätigkeit einen angemesseneren Spielraum, als ein beschwerliches und noch dazu schlecht besoldetes Schulamt ihn darbietet, zu besitzen; ich wünsche die Ergebnisse meiner wissenschaftlichen Bestrebungen durch öffentliche Lehre zu verbreiten und besonders junge Männer, die unmittelbar oder mittelbar zum Studium der Naturwissenschaft veranlaßt sind, durch das lebendige Wort des akademischen Unterrichts für diejenige Richtung darin zu gewinnen, die mir als die angemessene und erfolgreiche erscheint, um so mehr, je weiter das bisherige, gewöhnliche Gleis der Physik von einer solchen Richtung sich entfernt gehalten hat. Im Preußischen, wo seit einiger Zeit, (wie es scheint, zur Bildung einer Pflanzschule von begnüglichen, submissen Universitätslehrern,) blutjunge, obscure Docenten mit kärglichen Gehalten auf den Universitäten gleichsam verstreut werden, während Männer, die durch Erfahrung und bisherige Wirksamkeit zu höheren Forderungen berechtigt sind und deren Sache dabei das Hinzudrängen und devote, persönliche Hervortreten nicht ist, ihrem Schicksale überlassen bleiben, bin ich nicht geneigt, erst zweifelhafte und mißliche Aussichten zu einer meinen Wünschen entsprechenden Beförderung abzuwarten. Sollten Sie finden, daß ich auf rechter Bahn gehe, und Gelegenheit nehmen mögen, durch Ihre Empfehlung vielleicht zur Besetzung einer Professur der Physik in München die Realisirung meines Wunsches zu fördern, so hoffe ich, daß das rege Bestreben, mich durch meine Bemühung um die Wissenschaft Ihnen dankbar zu erweisen, gewiß nicht ohne Seegen für die letztere und ohne einige Genugthuung für Sie bleiben würde.

Entschuldigen Sie dieses so unumwunden ausgesprochene Gesuch und betrachten Sie das Vertrauen, mit welchem ich, ohne die Ehre Ihnen persönlich bekannt zu sein, mich an Sie gewandt habe, lediglich als ein Merkmal der höchsten Hochachtung und Verehrung, mit welcher ich jeder Zeit sein werde
Ew. Hochwohlgeboren
innigst ergebener

Dr. G.F. Pohl
Professor am Friedrich-Wilhelms Gymnasium zu Berlin.