Verehrter, theurester Freund!
Ihre oft bewährte Güte veranlaßt mich, Ihre Fürsprache und Vermittlung in folgender Angelegenheit nachzusuchen.
Um erhielt ich von Seiner Königlichen Hoheit den Kronprinzen durch Herrn OberbauRath Klenze den Auftrag, in Stuttgardt nach einem Bildniß Herzog Christoph’s von Wirtemberg mich zu erkundigen, nach welchem eine Büste desselben für die Walhalla gefertiget werden könnte. Bald darauf reiste ich nach Stuttgardt und gab mir an Ort und Stelle alle Mühe, dem erhaltnen Höchsten Auftrag zu entsprechen. erstattete ich in einem Schreiben an Seine Kön˖[igliche] Hoheit nach Würzburg Bericht von dem Erfolg, und meldete, daß außer einem sehr vorzüglichen Bildniß im Besitz eines Privatmannes, der sich um keinen Preis von demselben trennen zu wollen erklärt und nicht einmal eine Zeichnung davon habe verstatten wollen, in ganz Wirtemberg nur 3 Original-Bildnisse noch übrig seyn, nämlich
1) auf dem Königlichen Münzcabinet ein sehr gutes, in Holz erhaben geschnittenes Brustbild Herzog Christophs aus seiner Jugendzeit – dieses Bild ließ ich in Stanniol ausschlagen und schickte Seiner Kön˖[iglichen] Hoheit diesen Abdruck, den der Bildhauer nur mit Gyps auszugießen brauchte, um ein dem Runden sich näherndes Bildniß Herzog Christophs aus seiner blühendsten und kräftigsten Zeit vor sich zu haben.
2) Eben daselbst eine Münze, mit H˖[erzog] Chr˖[istophs] Bildniß, aus späterer Zeit. Von dieser legte ich einen Abdruck bey mit der Bemerkung, daß das Original ebendieser Münze sich auch auf dem Kön˖[iglichen] Cabinet zu München befinde.
3) Ein gemahltes Bildniß auf dem Königlichen Archiv zu Stuttgardt, ohne Kunstwerth und an Schönheit des Charakters und Ausdrucks dem Bildniß No. 1) nicht zu vergleichen. Dieses Bildniß, zu dem gedachten Zweck, auf einige Zeit verabfolgen zu lassen, hatten, aus Verehrung gegen Seine Kön˖[igliche] Hoheit, und auf mein gegebnes Wort, daß dasselbe unmittelbar nach gemachtem Gebrauch sicher und kostenfrey zurückgestellt werden solte, die Vorsteher des Kön˖[iglichen] Archivs sich bereit erklärt: weil mir jedoch dieses Bild, verglichen mit No. 1 von keinem sonderlichen Werth für den Bildhauer schien, glaubte ich erst anfragen zu müssen, ob Seine Königliche Hoheit dieses Bildniß wirklich zu erhalten wünschen.
Höchstdieselben ließen mich mündlich wissen, daß Ihnen dieses Bild erwünscht seyn würde. Ich schrieb sogleich deßhalb nach Stuttgardt, und noch vor der Abreise nach Italien ließen Seine Kön˖[igliche] Hoheit mich abermals mündlich wissen, daß Höchstdieselben das Bildniß erhalten haben.
Im bekam ich ein Schreiben des Herrn O˖[ber]B˖[au]R˖[aths] Klenze, worinn derselbe mir meldete, wie Seine Königliche Hoheit wünschten, daß ich mich in Wirtemberg noch einmal nach einem Bilde Herzog Christoph’s umsähe, weil die Münze dem Bildhauer nicht genüge.
Dieses Schreiben mußte mir in der doppelten Hinsicht auffallen, als dasselbe
1) vorauszusetzen schien, daß ich das erstemal nicht allen Fleiß und Eifer angewendet, ein Bildniß Herzog Christophs aufzufinden, da ich mir bewußt war, alles mögliche in dieser Beziehung gethan zu haben,
2) inwiefern nur der Münze (No. 2) erwähnt wurde, gleich als hätten Seine Königliche Hoheit weder den Abdruck No. 1 noch das Bildniß No. 3 erhalten.
In dem Antwortschreiben an Herrn O˖[ber]B˖[au]R˖[ath] Klenze wiederholte ich daher alles Obige, und meldete, daß bey einer abermaligen, dem Wunsche Seiner Kön˖[iglichen] Hoheit zufolge, eingezogenen Erkundigung das Resultat dasselbe gewesen, daß ich aber inzwischen von den Vorstehern des Königlichen Archivs in Stuttgardt die dringendsten Aufforderungen erhalten hätte, das gedachte Bildniß No. 3, für das ich Wort und Ehre verpfändet, zurückzustellen, daß ich darum Herrn O˖[ber]B˖[au]R˖[ath] Klenze ersuchte, die möglichst schleunige Zurücksendung dieses Bildnisses um so mehr zu bewerkstelligen, als man dasselbe zu dem vorgehabten Zweck unbrauchbar gefunden zu haben scheine.
Auf dieses Schreiben erhielt ich von Herrn O˖[ber]B˖[au]R˖[ath] Klenze keine Antwort; um so mehr mußte ich annehmen, daß das Bildniß zurückgeschickt worden sey.
Da ich aber kürzlich wieder nach Stuttgardt kam, wurde ich von den ehrenwerten Männern, welche jenes Bildniß zu meiner Verfügung gestellt hatten, mit den empfindlichsten Vorwürfen empfangen, sie in eine solche Verlegenheit und große Verantwortung gestürzt zu haben, da sie jeden Augenblick gewärtig seyn müßten, daß diese Lücke in der Reihe der Bildnisse der Wirtembergischen Regenten bemerkt und auf’s Schärfste geahndet werden möchste – Vorwürfe, die ich um so weniger zurückweisen oder besänftigen konnte, als ich, ohne Antwort von Herrn Klenze, nicht einmal zu sagen wußte, was aus dem Bild geworden, und wie bald sie hoffen könnten, dasselbe zurückzuerhalten.
In dieser Bedrängniß, theurester Freund, nehme ich zu Ihrer Freundschaft meine Zuflucht, und bitte Sie, Seiner Kön˖[iglichen] Hoheit diesen Verlauf der Sache nach allen Umständen vorzutragen, und zugleich in meinem Namen unterthänigst zu bitten, daß Höchstdieselben geruhen wollen, Befehle zu ertheilen, daß jenes Bildniß baldmöglichst an das Königliche Archiv zu Stuttgardt Kostenfrey (etwa durch Vermittlung der dortigen Bayer’schen Gesandtschaft) zurückgeschickt, oder mir wenigstens eine beruhigende Versicherung über das Schicksal des Bildes und die einstige Zurückgabe desselben zutheil werde, um von derselben gegen jene schätzenswerthen Männer in Stuttgardt Gebrauch machen zu können.
In den hohen und großherzigen Gesinnungen unsres Gnädigsten Kronprinzen kann es nicht liegen, weder mich, noch die Archiv-Vorsteher in Stuttgardt, die sich zu dieser Bereitwilligkeit hauptsächlich nur durch ihre große Verehrung gegen Seine Kön˖[igliche] Hoheit bestimmen ließen, in eine solche Verlegenheit setzen zu lassen; ich zweifle daher nicht, daß wenn die Sache Seiner Kön˖[iglichen] Hoheit genügend vorgelegt wird, alsbald die beruhigendste Aufklärung erfolgen werde.
Die Freundschaft, die Sie in dieser Sache mir erzeigen, werde ich stets in dankbarstem Andenken behalten, gleichwie ich nie aufhören werde, mit inniger Hochachtung und wahrer Liebe zu seyn
Ihr
treuergebener
Schelling
Erlangen den .