Den häuslichen Unruhen und einem Gedräng von Geschäften, die mich die letzten Wochen zugleich betroffen, bitte ich Sie, es zuzuschreiben, daß ich nach einer langen Briefschuld auch auf Ihren letzten so freundlichen und mir erfreulichen Brief, länger als sich gebühren will stillgeschwiegen. Denn wann hätte ich mehr Ursache zur Eile gehabt, als bey dieser Veranlassung, der freudigen Botschaft, die Sie mir auf so ergreifende Art mitgetheilt und die meine ganze Theilnahme erregt hat? Zuerst also meinen Dank für Ihren zutraulichen Glauben, daß alles was Sie, was Ihre lieben Kinder betrifft, von mir als Wohl oder Weh verwandten und innig verbundenen Freunde gefühlt wird. Wenn aber der erfreulichste Gegenstand für Gefühl und Phantasie ein reines gutes Mädchen im Augenblick Ihrer Verlobung ist, so können Sie sich denken, mit welcher Lebhaftigfeit ich mir das Bild Ihrer holden Emma und die Freude der Eltern vergegenwärtiget! Nehmen Sie, theureste Schwägerin, dieß glückliche Ereigniß als ein Unterpfand dafür, daß Himmlische über Ihr, und der Ihrigen Glück wachen und früheres Leid in desto größere Freude verwandeln. Wenn der Verlobte unsrer glücklichen Emma, so darf ich sie ja nennen, mich mit einschließend, Herr Welker ist, den ich als Übersetzer des Aristophanes und Kenner der griechischen Literatur (da ich von Jurisprudenz nichts weiß) vorlängst geachtet: so darf diese Verbindung, zumal in jetziger Zeit, als eine höchst glückliche Fügung betrachtet werden, wie sie nur für Lieblinge der Himmel sich vorbehält. Was mich betrifft, muß mit der Freude das Bedauren sich vermischen über die große Entfernung, die auch meiner Armuth nicht erlaubt, die überglückliche Braut mit irgend einer Kleinigkeit zu schmücken. Inzwischen sey es Ihnen überlassen, ihr den alten Bekannten und halbjährigen Mit-Erzieher aufs Angelegenste zu empfehlen, ihr seine Freude mitzutheilen und die frommen Wünsche, die vom Papier nur kalt ansprechen, mit der ganzen Wärme meines Gefühls in Ihr Herz überzuströmen. Früher ober später werden wir uns doch im Leben begegnen, und an gegenwärtigem Glück wie an vergangener Freude uns herzlich zusammen erlaben.
Die häuslichen Unruhen, von denen ich im Anfang schrieb, wurden durch die übrigens glückliche Geburt eines zweyten Sohnes verursacht, mit dem Anfangs dieses meine gute Frau mich erfreute. Ihr müssen Sie es schon zu guthalten, daß sie Ihnen noch immer nicht geschrieben. Das Hauswesen und die Besorgung ihres Erstgebohrnen, nebst dem wie Sie sich denken können sehr starken Briefwechsel nach Gotha lassen Ihr für Briefe wirklich so gut wie keine Zeit; alle ihre ehmalige Freundinnen müssen sich darüber beklagen. Von Julchen dagegen, die während des hiesigen Aufenthalts freylich zu zerstreut war um ordentlich zu schreiben aber mit dem festen Vorsatz wegreiste, Ihnen gleich von Gotha zu antworten, ist diese Unterlassung sehr unartig. In diesem Augenblick ist sie zu Cassel und so kann ich ihr auch den ihr deßhalb zugedachten freundlichen Verweis nicht wohl zukommen lassen. Mein nunmehr älterer Knabe ist herrlich gediehen; die Leute finden ihn allerliebst und der Vater kann dem Urtheil nicht wohl widersprechen.
Von A[ugust] W˖[ilhelm] Schlegel weiß ich nichts seit der Flucht aus Paris. Pfaff hat mir einige allgemeine Nachrichten von Ihrem Befinden mitgetheilt; ich gestehe Ihnen aber auch, daß ich mich genauer nicht erkundigt, weil ich mich überhaupt mit ihm nicht sonderlich tief eingelassen. Der wesentlichste Wunsch, der mir für Sie jetzt übrig bleibt, ist daß Wiedemanns Gesundheit sich mehr und mehr befestigen möge. Gerne drückte ich wieder den Wunsch aus, daß er zu uns versetzt würde, wenn nicht in dem Augenblick selbst eine in diesem Monat beyspiellose Kühle mich erinnerte, daß zwischen den Climaten Deutschlands ein geringer Unterschied und das Leben dießeits der Alpen, physisch genommen überall nur ein halbes oder Viertels-Leben ist.
Grüßen Sie Wiedemann von mir auf’s Herzlichste und Freundschaftlichste. Und so leben Sie wohl, glückliche Mutter, theure Freundin, des lebhaftesten Antheils an Ihrem Glück und unveränderlich treuer Freundschaft versichert von
Ihrem
erg[e]b[en]sten Schwager
Schelling.