Schelling

Schelling Nachlass-Edition


à Monsieur

Monsieur Thorwaldsen

Chevalier de l’Ordre du

Danebrog Membre

de l’Academie Royale de

Copenhagen

à

Rome

Ohne Wiedemanns Dazwischenkunft würde ich es wohl nie unternommen haben, so sehr ich immer den Wunsch hegte, Sie wegen des Basreliefs zu dem Monument anzugehen. – Wenn unsre heißesten Wünsche, geliebte Abgeschiedene zurückzurufen unvermögend sind, so ist die Kunst das einzige Verewigungsmittel, wenn ein Meister Ihrer Größe das Andenken erhält. Doch von unsern Empfindungen hiebey nichts! – Sie gehören der Welt an, Ihre Beziehung zu dieser muß die erste Rücksicht seyn, die Sie leitet.

Die Idee, die wir ausgeführt wünschten, wird Ihnen die beyliegende Kopie ohngefähr zeigen.

Auf die Tafel unter der Büste sollte die Inschrift kommen; die Idee des Hauptbasreliefs war, die Mutter am Altar des Aeskulaps aus einer Schale trinkend, welche ihr die Tochter reicht, inzwischen diese von einer Schlange in die Fersen verwundet wird; die andre schmälere Seite der Säule sollte ein analoges Basrelief von dem, das Sie in der Zeichnung sehen erhalten. Es versteht sich, daß keine dieser Ideen eine Norm für Sie seyn könnte. Besseres können wir nichts wünschen, als daß die Erfindung des Ganzen und des Einzelnen aus Ihrem Gemüth und Geiste komme. Wollten Sie das Ganze in mehr christlichem Sinne nehmen, so wäre uns auch dieß erwünscht, ja im manchem Betracht vielleicht tröstlicher.

Wiedemann der seine Reise nach dem Norden inzwischen fortgesetzt hat, schreibt mir im letzten Brief: »Ich bin begierig, ob Th˖[orwaldsen] unsre Wünsche erfüllt, ich habe sein Bild darum gefragt, es hat mir mit Ja geantwortet.«

Ich ersuche Sie, würdiger Mann, Ihre schriftliche Antwort auf W[iedemann]’s Brief hieher an mich zu addressiren; je früher wir Gewißheit erhalten können, desto lieber.

Wie auch Ihre Antwort ausfallen möge, ich freue mich der Veranlassung, die ich gehabt, Ihnen meine große längstgefühlte Hochachtung bezeugen zu können.

Schelling

Addresse: à Mr. Sch˖[elling], Sécretaire perpetuel de l’Academie Royale des beaux arts à Munich, Bavière.