Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sie trauen mir (doch nun halb) den Gedanken zu, daß die Zeit keine bloße Denkform sondern in der That etwas wirkliches sey. Ich darf Ihnen wohl sagen, daß dieser Gedanke und dieß System der Zeiten selbst (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) aber nach einem größeren Maßstabe als der ist, nach dem wir diese Begriffe nur in der Gegenwart anzuwenden pflegen das Thema eines längst angekündigten, aber noch nicht vollendeten Buches: Die Weltalter ist.

Bin ich vielleicht bald so glücklich Ihnen dieß Werk zu übersenden, so hoffe ich Sie werden mit der Entwickelung zufrieden seyn. Sie sind aber auch, nebst höchstens zwey Menschen, der Einzige, den ich so über die Zeit reden höre. In diesem Punkt ist fast alles Kantianer oder beruhiget sich wenigstens darüber und schläft sozusagen an diesem Abgrund, der einmal aufgedeckt für unser ganzes religiöses und wissenschaftliches Wesen einen ganz anderen Gehalt geben wird.

Mathematische Beweise von übersinnlichen Sachen kann es nicht geben, weil hier alles auf Untersuchung beruht, nichts Dogma ist. Es lassen sich da nicht einmal feste Sätze hinstellen, wie von geometrischen Wahrheiten. Das Philosophiren ist zuletzt ein Erforschen der Wege Gottes, oder des Wesens das da war, das da ist und das da seyn wird. Hier sind wohl Recherchen so nöthig, ja nöthiger als in der Geschichte der Erde der Geologie, oder in irgend einer andern Historie.

Die Faulheit, die sich vor Recherchen fürchtet ist es, die alles mit der reinen Vernunft auf dem leichtesten Wege ausmachen möchte und deshalb Gott und seine Natur mit dem Verstand selbst im Widerspruch erklärt.