Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Sr. Hochwolgeboren

Herrn Direktor

Schelling

in

München

durch Güte

Liebster Bruder!

Wann Dir die Unruhe welche mich seit mehrern Wochen in nicht geringe Zerstreuung sezte, so bekannt wäre, als sie mich abhielt Dir Dein liebes Schreiben eher zu beantworten! so würdest Du mich dißfalls gerne entschuldigen, und eben so geneigt die Versicherung meiner innigsten Theilnahme über Deine glükliche Verbindung jezt noch aufnehmen als sie von dem ersten Augenblik der erhaltnen Nachricht meinem Herzen höchst wichtig und erfreulich ist! Der Himmel lasse Dich ganz das Glück geniesen von dem mein Herz gegen Dich voll ist! ich bitte Dich recht sehr mein Theurer Bruder, mich auch in die Liebe Deiner Werthesten Frau aufs Beste zu empfehlen. Die Freude die uns geworden wäre, wann wir so vereint bey der Hochzeit des Br˖[uder] Carls zusammen hätten seyn können wäre Einzigschön gewesen, aber ich habe gleich besorgt, daß uns diese Freude nicht so gleich zu theil werden würde. Br˖[uder] Carl lebt höchst glüklich, seine Frau hat die treflichste Erziehung genosen, ihre Familie ist hier allgemein verehrt und geliebt, waß sie auch ganz verdient! sie lebt ganz nach Br˖[uder] Carls Wunsch und Willen und wie es seine Verhältnisse erfordern –. Es scheint sie seye für Carl geboren; in ihrem 19ten Jahr handelt sie so gesezt und reif als man es nur von 30 erwarten kann, sie ist ganz Ordnung und Reinlichkeit – Carl hat ein angenehmes Logis – welches durch seine Frau sehr gut und geschmakvoll eingerichtet worden. Vor 10 Tagen waren wir zusammen in Herrenberg bei der Tauffe eines 2ten zu frühgeboren Knäbchens, welches aber nun seit 3 Tag verschieden ist. Das aeltere Kind, so elend es war, ist recht gros und stark geworden.

Überbringer dis ist mir von unsrem Hausherrn Haug zu geschikt worden, um gleich ihm ein Empfehl[ungs]Schreiben an Dich ihm mit zu geben, wir können ihn nicht, aber Er scheint Mittleiden zu verdienen, da Er als ein alter Mann kein Brod hat; in der Kadeten-Schuhle-zu München möchte Er gerne eine Anstellung als Schreib und Deutscher-Sprach-Lehrer erhalten; ist es Dir möglich mein geliebter Bruder! so nehme Dich dieses Unglüklichen an – Er scheint freilich etwaß überspannt und Schwärmerisch zu seyn, aber seine Handschrift ist recht schön – und seine Lage für sein Alter ganz traurig.

Die Mutter ist sehr in Sorgen ob Du doch die Leinwand, samt dem Einschluß von Gold und Silber erhalten? weil noch keine Nachricht von Dir angekommen ist!!! ich lies mir hier 1 Postschein geben – solte es Dir nicht zu gekommen seyn (waß wir nicht hoffen!) so schreibe es doch sogleich, daß man sich erkundigt.

Nehme nochmals unsre innigste und herzlichste Wünsche für Dein beständiges Glük von uns hin – –. Mich mit m˖[einem] lieben Man und Adolf Dir und Deiner Werthen Frau aufs Beste Empfehlend
ewig Deine
Dich liebende Schwester

B. Gross.