Gotha den .
Immer hat es mir im Sinn gelegen, bester Schelling! Ihnen wieder zu schreiben, ich habe den Dank noch auf dem Herzen für Goethes Leben, den ich Ihnen gern auf der Stelle ausgedrückt hätte; aber die Hände waren zu beschäftigt franz˖[ösisches] Militair zu bewirthen, um die Feder zu regieren; nur den Gedanken war es vergönnt den lieben entfernten Freund auf zu suchen, und flüchteten sich um so lieber zu ihm, um bey dem äußern Drängen und Treiben im Innern einen freundlichen Ruhepunkt zu finden. Unser stilles Leben ist auf diese Weise sehr ins Tumultuarische gekehrt, selten vergeht ein Tag, daß man sich dieser lästigen Gäste überhoben sieht, die alten werden immer wieder durch neue abgelöst. Die Stadt ist überschwemmt, die Bürger gedrängt und man fügt sich wohl mit Geduld in dieses allgemeine Loos, das so gelind erscheint gegen die Unsumme von Elend die noch für Tausende daraus erwachsen wird. Wie ernst und trübe sieht es wieder in der Welt aus, man hört nichts anders in der Nähe und Ferne. Es gehört wohl eine entschiedene Heiterkeit des Gemüthes dazu, in dieser Gegenwart nicht allen Frohsinn ein zu büßen! – Solche kriegerische Zeiten zu erleben, das sind auch Erfahrungen, bester Schelling! die, die Banden der Freundschaft und Liebe fester knüpfen; bey der gänzlichen Unsicherheit jedes irdischen Besitzes, möchte man sich dieses himmlischen Guths um so unwandelbarer versichern.
Wie lieb ist es mir, bester Schelling! daß Ihr Buch nur Günstiges für Sie nach sich gezogen! Nun will ich mich auch nach gerade über seine Existenz zufrieden geben; aber keinesweges darüber, daß wir es nicht zu bekommen scheinen; von einem Tag zum andern habe ich vergebens darauf gehoft. Von dem was Schlichtegroll darüber hierher berichtet, weiß ich nur ganz im Allgemeinen, daß er glaubt durch diese Auseinandersetzung die Wissenschaft gefördert zu sehn. Jakobs hütet sich wohl etwas mehr davon gegen uns zu äußern, er kennt zu bestimmt unsre Gesinnungen für den Verfasser.
Was Goethe darüber urtheilt, sollen Sie gewiß erfahren, das bringt mich wohl einmal wieder in seine Nähe, um es von ihm selbst zu hören. Wie können Sie nur in aller Welt glauben nicht mehr in seiner Gunst zu stehn? Nein, ich weiß gewiß, lieber Schelling! er ehrt und liebt Sie von ganzen Herzen, und wenn dem nicht so wäre, verdiente der alte Herr nicht Einen freundlichen Blick mehr. Daß er Ihnen nicht geantwortet, ist wohl nur zufällig, vielleicht bedurften Ihre Briefe geradezu keiner Antwort, und er erspart sich gern jeden Federzug. Schreiben Sie ihm nur immer wieder, wer wollte mit seinen Freunden so genau rechten? Wundern thut es mich auch nicht, wenn er den Herrn Capellmeister Weber etwas kalt empfangen, ich kenne schon seine entschiedene Antipatie gegen alle Musici. Am aufallendesten bemerkt sich das, wenn er Reichardt gegenüber steht. Zelter ist der Einzige, den er persönlich liebt und schäzt. Ich habe auch diesen Winter keine Zeile mit dem alten Herrn gewechselt, nur durch Freunde und Bekannte haben wir uns von Zeit zu Zeit begrüßen lassen; aber es ist mir nicht bange seine Gesinnungen unverändert zu finden, – er hat zwar ein wankelmüthiges Herz aber doch nur auf gewiße Weise. Wie es diesen mit ihm werden wird, weiß ich noch gar nicht, Sein Famulus wird bey der weimarischen Schule angestellt, und lange kann G˖[oethe] doch nicht in fremden Landen ohne diesen existieren. Es klingt freylich wunderlich, den alten Herrn für so unmündig zu erklären.
Also zu , bester Schelling! sollen wir Sie endlich sehn? Daß uns nur ja diese liebe Aussicht nicht noch weiter in die Ferne gerückt werde! es liegt so schon eine lange Zeit dazwischen – wir haben noch förmlichen Winter. Vor 4 Wochen gab es schon Veilchen, und auf einmal sind wir wieder eingefroren, als wollte sich der Sommer nie zeigen. Mich kann es ungeduldig machen, so tief im zu seyn und noch keinen Strahl der Frühlingssonne fühlen.
Da kömmt das kriegerische Buch während ich schreibe, gleichsam als hätte ich’s citiert. Ich habe mich nicht enthalten gleich hinein zu blicken, und bin erfüllt von Jacobi’s Abscheulichkeiten, gegen die sich meine ganze Seele empört. – Rechtlicherweise hat man von so etwas keinen Begriff, wenn man es nicht mit Augen sieht, mir hat sich wahrhaft das Herz dabey umgewendet. Ich begreife nun, daß Sie nicht schweigen konnten, ob mehr Mäßigung möglich war, kann ich freylich nicht beurtheilen. Der Himmel bewahre Sie je wieder für so einen hämischen Gegner! Die beyden ersten Abschnitte des Buchs sind wohl zu wissenschaftlich um für uns ganz genießbar zu sein: ich freue mich desto mehr auf den letzten deßen heiterere Behandlung uns noch mehr zusagen wird, schon beym ersten Blick fühlt man sich betroffen von der Gewalt des Geistes und Witzes, die diese ganze Vision beherrscht. Kaum kann ich erwarten es recht mit Muße zu genießen.
Leben Sie wohl, lieber, theurer Freund! lassen Sie bald wieder von sich hören, und seyn Sie von uns allen auf das Liebevollste gegrüßt.
Pauline.