An Herrn Director von Schelling
in
fr˖[ei] z˖[ur] G[ren]tze.
Liebster Bruder!
Du läßt lange nichts mehr von Dir hören, weßwegen ich recht sehr wünsche, bald zu vernehmen, daß es mit der Wiederherstellung Deiner Gesundheit immer guten Fortgang habe, und inzwischen kein weiterer Zufall eingetreten sey. Die gegenwärtige kalte Witterung wird Dich wohl nöthigen, anhaltend das Zimmer zu hüten, was insofern gut seyn wird, als Du dadurch vor Erkältung gesichert bist. Der Onkel meiner Frau, welcher Dich besucht hat, und welchen ich bei Dir anzumelden vergeßen hatte, ist inzwischen zurückgekommen, und hat uns gesagt, daß er Dich zwar etwas blaß und magerer als in frühern Zeiten gefunden, übrigens aber Dich gesund getroffen habe. Ich zähle nun darauf, daß die Reise zu uns dazu dienen werde, Dir wieder Farbe und gänzliche Genesung zu verschaffen, und wünsche nur, daß dieselbe bald möge ausgeführt werden können, und Deine Kinder inzwischen auch wiedergenesen seyn mögen. – In unserer Familie hat sich inzwischen durch den Tod des Onkel Prälaten in Denckendorf auch ein Trauerfall ereignet. Er ist lezten früh um 5 Uhr in Folge eines Katarrhfiebers, während deßen er bis auf die lezten Tage alle pfarramtliche Geschäfte eifrigst fortsetzte, bis er am Ende unter seinen Konfirmanden vor Schwäche zusammensanck, sanft gestorben. Er wurde seinem lezten Willen gemäß früh mit SonnenAufgang auf dem Kinder Kirchhof in Nürtingen beerdigt. Fast alle seine Neffen begleiteten seine Leiche ans Grab, wo von einigen Schülern in Nürtingen einige von ihm bestellte Verse abgesungen, übrigens aber seiner Verordnung zufolge keine weitere Rede gehalten wurde. Ich habe ihn aufrichtig bedauert, und als der Sarg in der Kapelle des Kirchhofs noch einmal geöffnet wurde, mit wahrer Rührung sein im Tode sehr freundliches Bild gesehen. In seinem Testamente hat er Dich, den August und die Beate mit 1,000 Gulden jedes bedacht, und auf seinem Todenbette der Beate noch außerdem 1,500 Gulden geschenckt. Beate hat ihn die lezten 3 Tage gepflegt, und seit der guten Mutter jede Woche 2mal mit ihm korrespondirt, und seine hiesigen Angelegenheiten besorgt. Außerdem hat er der Tante Bardili, und der verwittweten D˖[orothea] Hillerin in Urach jedem 2,000 Gulden, und außer verschiedenen Legaten an Bibel- Missions- und WaisenhausAnstalten so wie an seine Mägde und einige Taufpathen den Rest seines Vermögens, den man auf 18–20,000 Gulden schätzt, den beiden Kless vom Asperg vermacht. Seine Bibliotheck, von der er früher schon Vieles verschenckt hat, erhält der Hofkaplan Kless, nachdem seine vorlezte Magd sich vorher der Verordnung zufolge aus derselben aus
Nun leb recht wohl, und erfreue uns bald mit guten Nachrichten von Deinem und der lieben Deinigen Wohlbefinden, so wie mit der Bestätigung unserer so angenehmen Hoffnung, Dich bald mit allen den lieben Deinigen hier zu sehen.
Dein
tr˖[euer] Bruder
Karl.
St˖[uttgart] den .