Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Daß es mir, Verehrtester, unendlich wehe gethan hat, in der Ansbacher Fremden Anzeige zu leßen daß Sie mit Ihrer werthesten Familie in Ansbach waren, und in dieser Nähe mich eines Besuches nicht würdigten, gestehe ich Ihnen unverhohlen ein. Inzwischen nehme ich es als die kräftigste Entschuldigung, wenn Sie Ihre Reise nach Erlangen über hier nehmen, und uns einige Zeit über das unbeschreibliche Vergnügen machen, bey uns zu verweilen. Allein ich wünschte doch recht sehr, daß auch Ihre Frau Gemahlin mit Ihnen von der Parthie seyn könnte; und auch an Sie die von uns allen so Hochverehrte ergeht also zu diesem Ende meine höflichste Einladung. Ueberhaupt war mir Ihr Brief eine recht erfreuliche Erscheinung, und sogleich war auch bey mir die Gewißheit, daß Sie nun wohl recht lange in unserer Nähe bleiben, und daß ich nun recht oft Gelegenheit finde, Sie theils bey uns, theils bey sich zu sehen. Kommen Sie ja recht bald, damit Sie die Zeit Ihres Hierseyns nicht zur Ungebühr für mich abkürzen müssen. Auf den Fall, daß es Ihrer Frau Gemahlin ganz unmöglich seyn sollte, Sie zu begleiten, sagen Sie Ihr, daß meine Frau Sie aufs sorgfälltigste pflegen werde, so wie es einer so unbedingten Verehrerin von Ihnen nur möglich ist; und daß ich die Sorge, Sie wohlbehalten in Ihre Arme zurückzuführen übernehmen werde.

Daß Sie dem academischen Lehramte wiedergegeben sind, ist ein großer Gewinn für die Menschheit, ein unendlicher Gewinn für Baiern, und unser constitutionelles Deutschland wird insbesondere nicht leer ausgehen. Es ist so recht an der Zeit der offentlichen Meynung eine bestimmtere Richtung zu geben, und diese Richtung muß von Männern, wie Sie, ausgehen, die mit der Wissenschaft auch das Leben erfaßt haben, und ferne von Schwindeleyen der Staaten wahres Wohl, und der Unterthanen Bedürfnisse kennen, und so mit Weisheit Klugheit verbinden. Sie werden nicht so bald wieder zurückkehren, denn mächtig muß Sie es ergreifen, wenn Sie die Früchte Ihres Würckens so reich im Leben sehen, und wenn die Resultate Ihres Forschens in der Staaten Gestaltungen Leben gewinnen. Wenn je eine Zeit Männer Ihres Gleichens dringend auf die öffentlichen Lehrstühle und Rednerbühnen foderte, so ist es die gegenwärtige, wo so viele Halbwisser jungen Männern die Köpfe verdrehen, wo eigennützige Menschen sich der öffentlichen Meynung bemächtigen, und selbe nach ihren Planen richten wollen, und häufig richten, wo der Bürgerstand leßelustig, und für besseres empfänglich, zur gründlichen Beurtheilung aber noch nicht gereift, alles verschlingt und nur großen anerkannten Namen folgt. Sie, Verehrtester, betretten die gewohnte Laufbahn mit unendlichen Vortheilen; Ihnen geht allgemeine Achtung vor, und wenn Sie eingreifen in die Richtung der offentlichen Meynung, so kann es nur mit dem Siege seyn, welchen die Glücks und Verdienst-Göttin unwandelbar an Ihren Sternen kettete. – Wäre es möglich, daß sich in meiner Brust ein höheres edleres Gefühl für Sie entwickeln könnte, als die unbedingte herzlichste Liebe, mit welcher ich Ihnen angehöre, so würde Ihr Entschluß die Rednerbühne wieder zu betretten, und unsere Söhne einzuführen in der Weisheit Tempel, und ihnen des Lebens Tiefen aufzuschließen, solche hervorgerufen haben.

Eilen Sie ja, zu uns zu kommen, damit ich Ihnen recht bald sagen darf, wie unbegränzt ich Sie liebe und verehre; damit ich Ihnen aber auch recht ernstliche Vorwürfe machen kann, daß Sie es erst nöthig finden konnten, anzufragen, ob Sie kommen dürfen? Kennen Sie der Freundschaft hohen Sinn? Glauben Sie daß Sie jemand mehr liebt, und Sie herzlicher verehrt als ich? Das würde mir unendlich leid seyn. Kommen Sie und wenn Sie diese Ueberzeugung nicht von mir mit fort nehmen, dann sollen Sie für all’ das entschuldigt seyn.

Meine Frau grüßt Sie herzlich und wir beyde empfehlen uns bestens Ihrer Frau Gemahlin.
Ihr
ganz ergebener

Häcker Ldst.