Schelling

Schelling Nachlass-Edition


An

den königlich baierischen Herrn

Direktor Ritter von Schelling

Hochwohlgeboren

in

Erlangen

frey

Ich habe Ihnen, Verehrtester, aus keinem andern Grunde so lange nicht geantwortet, als weil ich mit Zuversicht darauf rechnete, Sie auf bey mir zu sehen. Eine solche kleine Excursion hätten Sie sich wohl erlauben können, und sie wäre Ihrer Gesundheit wohl föderlich geweßen. Was zu erwarten stehe fragen Sie mich. Ich glaube, wir können unsere Hoffnungen nicht genug herunterstimmen, denn alles wird, wie es scheint verkehrt begonnen. Gesetze werden entworfen und vorbereitet, und noch fehlt es daran mit den Kammern sich über die Grundsätze geeiniget, welche der Gesetzgebung zu Grunde liegen sollen. Eine GerichtsOrdnung wird berathen, welche zu einer Zeit geschrieben wurde, wo man an Oeffentlichkeit des Verfahrens noch nicht dachte, und dem alten Rocke soll der neue Fleck der Oeffentlichkeit aufgeheftet werden. Die Justiz und Polizey soll getrennt werden, allein man übersieht, daß es eine gerichtliche Polizey giebt, und stellt den Begriff von Justiz nicht erst fest. Die Landräthe werden eingeführt allein mit enormen Bes[ch]ränckungen. Die Verhältnisse der Juden will man reguliren, allein wie wird dies unter den bekannten Einflüssen gescheen? Ein neues Steuersystem steht zu erwarten nach Bekrischen Grundsätzen. Die Organisation der Academie der Wissenschaften und Verlegung der Universitaet Landshut nach München, dann die Verbindung beyder soll erfolgen. Auch an der durch den Friedenszustand herbeygeführten neuen bürgerlichen Ordnung, der Nahrungs und ###losigkeit mögte man meistern, wenn man nur wüßte, wo man anfangen sollte, wenn nur Mittel vorhanden wären. Ich hoffe nichts, und fürchte viel, recht viele Rückschritte. Ich wurde über Verschiedenes auf directen und indirecten Weg mit Gutachten vernommen, und habe die Wahrheit mit aller Kraft und Freymuth geredet, ohne davon mir etwas zu hoffen.

Für Verbesserungen des Schulweßens sind viele Schreibereyen veranlaßt, allein ich bin gewohnt zu erfahren, daß, wo viel geschrieben wird, wenig geschieht. Auch der Oeffentlichkeit der Verhandlungen drohen Gefahren, größer als je man hat Lust, ### der Oeffentlichkeit nicht weiter zu gestatten, als sie während der ersten Sitzung die Kammer der ReichsRäthe adoptirte, und dann gebe ich für die 2te Kammer gar nichts mehr. Dies ist ohngefähr der ### meiner Nachrichten. Inzwischen hoffe ich noch etwas von der Zeit. Es ist nur gut, daß die Sitzung der Kammern nicht in diesem Augenblicke stattfindet, denn da wäre Alles verloren. Unsere ganze Verfassung paßt nicht in das System des europäischen Areopags und sie zu erhalten, unter Anfeindungen von Aussen, unter Gefahren, von innen, herbeygeführt durch die Uneinigkeit der Ministerien, wird große Kunst fodern. Wenn man noch bedenckt, daß durch das StaatsdienerEdict, die Minister more Catholicorum mit der Nation verheyrathet sind, und eine Trennung ohne jährliche 18/m f Pension nicht möglich ist, so trübt sich die Aussicht sehr.

Meine Person anlangend, so erfreute ich mich bisher einer guten Gesundheit, ob sie aushalten wird bis zum Landtage, und den Arbeiten desselben tragen, weis ich nicht; vorgearbeitet habe ich viel, und das Secretariat soll Mehmel künftig von meiner Seite nicht streitig gemacht werden.

Es nahen nun die Pfingstferien. Entweder Sie machen eine Badereise oder nicht. Im ersten Falle lade ich Sie zur Nachkur, im 2ten auf die Ferien zum Besuche. Sie wisssen, wie viel Sie mir sind, und welchen hohen Werth ich auf Ihre Gewogenheit und Freundschaft lege, und deshalb hoffe ich, daß Sie eine Erhohlung sich gerne bey mir gönnen.

Ihrer Frau Gemahlin küsse ich die Hand, und empfehle Ihnen meine Frau zum freundlichen Andencken. Nur mit 2 Worten bitte ich mir zu sagen, ob Sie meiner Einladung Folge geben wollen; Sie würden dadurch unendlich erfreuen
Ihren
ergebensten Freund

Häcker Ldst