Rotenburg den .
Meinen aufrichtigsten Glückwunsch, Verehrtester, zu den herrlichen Erfahrungen, welche Sie in diesem Jahre zu machen Gelegenheit hatten. Dies ist der wahre Prüfstein für das Publicum und für den großen Geist. Während im Haufe Schriftsteller, welche sich unverständig der öffentlichen Meynung bemächtigen, und selbe nach ihren Leidenschaften zu lencken suchen, nur, wo die Mächtigen der Erde ihnen Strenge zeigen, still sich zurückziehen, und sich nicht mehr unterstehen laut zu werden; tritt der wahrhaft große Geist in dieser gefährlichen Zeit auf vor dem großen Publicum, und giebt unserer Jugend die Resultate seines Denckens in offener freyer Rede, und würckt da, wo es so sehr Noth thut kräftig zu würcken, und einen bessern Geist hervorzurufen. Und eines Hörsals Raum faßt die Menge der Hörenden nicht, und die herzuströmende Menge verkündet dem großen Meister, daß noch Empfänglichkeit in ihr ist für das Bessere, und daß sie bereit sey, sich einführen zu lassen in den Tempel der Weisheit und Wahrheit. Ihr Entschluß und Ihr Thuen in der gegenwärtigen Zeit ist das größte, was Sie bis itzt thaten; denn mehr als je that es Noth, daß Männer wie Sie, sich der öffentlichen Meynung bemächtigen und selbe leiten, wo dieselbe noch keinen festen Standpunkt erhalten konnte. – Das alles hätte ich Ihnen so gerne mündlich gesagt; ich hatte mich so sehr gefreut Sie mit den Ihrigen bey mir zu sehen, war Monate lang nicht von Haus wegegangen, hatte meinen Sohn nicht auf die Schule begleitet, um ja nicht einen Augenblick Ihre Gegenwart zu missen, und meine Hoffnung wurde vereitelt. Recht viele Vorwürfe Ihnen zu machen hatte ich mir vorgenommen; allein ich darf Ihnen doch nicht Unrecht thuen, da ich Ihre Ursachen nicht kenne; und hoffe und bitte Sie darum, daß Sie Ihr Versprechen nachhohlen. Wäre es nur möglich geweßen, so hätte ich Sie schon überrascht, und hätte Sie in Erlangen besucht. Ich hoffe Sie finden früher Zeit für eine Excursion hieher. Oft sind Ferien, und
Je mehr die Zeit herannaht, welche mich ruft zu höheren Würcken für mein Vaterland, und für die öffentliche Meynung, desto mehr drängt es mich, einige Zeit mit Ihnen zu verleben, und Kräfte zu sammeln aus Ihrem Vorrathe. Die Anzeigen, welche dermalen am politischen Himmel unseres Vaterlandes stehen sind eben nicht erfreulich. Die Aussicht Gutes würcken zu können ist sehr klein, und man fängt schon an dem Würcken der Stände Hindernisse entgegenzusetzen, welche wahrscheinlich einen ungeheueren Damm bilden werden. Schon sucht man die gute Meynung, welche für Einige sich gebildet hatte, zu untergraben, den Samen des Mistrauens in die Gemüther jener, welche gut gestimmt seyn müssen, damit Gutes gescheen könne, auszustreuen, und zu den, beym letzten Landtage gebrauchten Künsten zum Bößen, neue zu gesellen. Ich gestehe Ihnen, daß wenn nicht Zeichen und Wunder gescheen ich wenige Hoffnung habe für das Besserwerden. Noch auf Männern wie Sie steht meine Hoffnung, wenn solche Männer kräftig eingreifen, und dem ZeitGeiste einen neuen Umschwung geben, dann läßt sich noch etwas erwarten. Ich gehöre gewiß nicht zu den politischen Stürmern, allein daß vieles besser werden müsse in unserm Vaterlande versteht sich von selbst, wenn nicht alle Gefahren der Zeit mit einer erhöhten Macht hereinbrechen sollen über dasselbe, weil es mit den Mitteln das Bessere hervorzurufen die Zeit ungenutzt vorbeygehen ließ. Wenn der nächste Landtag nicht wesentlich Gutes liefert, dann ist es um unsere Verfassung gescheen dann wird das bestehende Verfassungswerck dem Volcke gleichgültig, verliert für uns und das übrige Deutschland allen Werth, und die Folgen sind leicht zu berechnen. Würcken ohne Rücksichten verdirbt vollends alles, was ist zu thuen? Diese unendlich delicate Frage möchte ich von Ihnen, der mit so viele Wärme und Umsicht die Angelegenheiten des Vaterlandes übersieht, beantwortet erhalten. Das kann natürlich nur beym trauten Gespräche gehen. Geben Sie mir wenigstens Hoffnung, daß dies bald gescheen könne.
Ihrer Frau Gemahlin bitte ich mich höflichst zu empfehlen, und Sie bitte ich die Versicherung meiner höchsten Verehrung zu genehmigen. Ihr
gehorsamster
Dr. Häcker