Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Verehrtester
Theuerster Herr Schwager!

Da heute unsere beste Mutter abgehalten ist, Ihnen Theuerster Herr Schwager über den Krankheits Zustand unsres guten Doct˖[ors] weiter zu schreiben, so säume ich nicht diß zu thun, und Sie von der gegenwärtigen Lage zu benachrichtigen. Leider haben sich seit dem lezt abgegangenen die Umstände immer mehrers verschlimmert und seit Abend sind wir alle für sein edles Leben in die bangste Sorge gesezt. Schon der erste Angrif der Krankheit lies unsere gute Mutter vieles ahnden, es gab aber in der Zwischen Zeit doch manche, dem äußern nach scheinbare Erholungs Stunden und einige trostvolle Nächte, da sich aber das Haupt Übel im Kopf vixirte, das Fieber gröstentheils ununterbrochen fortdauert, so ist er nun in einem solch geschwächten Zustand, daß er meist nicht bey sich ist, und dadurch unsere tiefste Bekümmerniß höchstens vermehrt. Der Gedanke einen Mann der jedem unserer Herzen so höchst theuer seyn muste, aus unserer Mitte zu verlieren, der grose Verlust der so vielen durch seine vorzügliche Eigenschaften zugehen würde, liegt furchtbar vor uns; da aber Gott keine Hülfe Unmöglich ist, so wollen wir, so lang noch möglich, einige Hofnung schöpfen und ich wüste kein gröseres Glück als Ihnen diesen Trost aufs bäldigste mittheilen zu können. Der Himmel stärke unsere gute Mutter, die Gott sey Dank von Ihrer lezten Krankheit wieder ganz hergestellt war und meine liebe Frau deren Schwesterliches Leiden ich so genau ermessen kan.

Gott stärke uns alle auf jeden Fall!

Unter gehorsamster Empfehlung in größter Verehrung
Dero
treu verbundensten
Schwager

Groß