Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Es ist wohl ein glückliches Unglück zu nennen, daß Sie, liebster Freund, die Unterhandlung mit Cotta nicht übernehmen konnten, und daß Voß, der sie übernahm, durch Cotta’s Badereise an schleuniger Ausführung verhindert ward. Zwar zeigte C˖[otta] sich hernach nicht abgeneigt, den Calderon zu verlegen; aber unterdeß hatten sich mir andre Aussichten in Berlin eröffnet, und nun bin ich mit meinem dortigen Verleger weit zufriedener, als ich es wahrscheinlich mit C˖[otta] gewesen seyn würde. Der alte Nicolai wird sich freilich im Grabe umkehren, wenn er erfährt, daß sein Nachfolger sich mit spanischer Poesie befaßt.

Früher, als ich’s vor’m Jahre hoffen durfte, kann ich Ihnen jetzt meinen Calderon übersenden. Nehmen Sie ihn mit gewohnter Freundlichkeit auf, und versagen Sie mir nicht Ihr Urtheil.

Die Vergleichung mit Schlegels Arbeit ist so natürlich, daß ich mich wohl im voraus darauf gefaßt machen mußte. Darf ich Goethe’s Urtheil trauen (wenn es nicht vielleicht durch eben vorhandene Zu- oder Abneigung bestimmt wird), so brauchte ich in dieser Hinsicht nicht sehr unruhig zu seyn. Doch weiß ich wohl, daß ich Schlegeln gewiß in Einem Punkte nicht erreicht habe und schwerlich erreichen werde: in dem Zauber der Sprache, der ihm so ganz eigen ist.

Ist die letzte Aufgabe des Uebersetzers diese: dem Original nach Form und Inhalt treu, und zugleich seiner eigenen Nation verständlich und ansprechend zu seyn; so bin ich der Meinung, daß Schlegels Calderon der erstern Forderung (mit wenigen Ausnahmen) vollkommen Genüge leistet. In Ansehung der zweiten aber habe ich von manchen Seiten Klagen vernommen, die mir nicht ganz ungegründet scheinen. Ich selbst muß gestehen, daß ich mehre Stellen, um sie ganz zu verstehen, erst mit der Urschrift habe vergleichen müssen; daß ich manchmal der Sprache Gewalt angethan, die Wortfügung verworren, den Reim gezwungen finde. Dies alles aber ist leichter zu tadeln, als zu verbessern; und es ist gar wohl möglich, daß Andern auch in meiner Uebersetzung ähnliche Fehler auffallen. Das Ziel habe ich wohl im Auge gehabt; aber die Aufgabe ist so groß, so unermeßlich schwierig, daß man, sie nicht gänzlich gelöst zu haben, wohl ohne Erröthen bekennen darf.

Die Zenobia ist, auf Goethe’s Veranstaltung, in Weimar aufgeführt worden und wenigstens nicht durchgefallen, wie es in einigen Zeitungen verlautet hat. Daß der Beifall nicht übermäßig rauschend war, werden Sie, wenn Sie das Stück gelesen, sich wohl denken können. Die Gebildeten waren zufrieden, die Uebrigen gleichgültig; mehr habe ich nicht erwartet. Für das große Publicum sind diese exotischen Stücke nun einmal nicht gemacht. Dazu kam noch, daß alle Pracht der Decorationen, Kleidungen, Aufzüge (wozu dieses Stück so reiche Gelegenheit giebt) kurz, alles, was die schaulustige Menge anzieht, gänzlich vermißt ward. Uebrigens hatte Goethe sich mit dem Einstudiren große Mühe gegeben, und die Hauptpersonen (Mad˖[ame] Wolf als Zenobia, Oels als Decius, und selbst Haide als Aurelian) befriedigten jede billige Forderung.

Goethe hat sich seit langer Zeit keinen Winter so wohl befunden, als den ; Wiesbaden, wo er war, scheint ihm besser zu bekommen, als Karlsbad. Auch denkt er diesen den Vater Rhein wiederum zu besuchen, wenn die Zeitläufte es nicht hindern. Sein unerschöpflich reicher Geist hat sich wieder ein neues Feld gewählt, nemlich die orientalische, und namentlich die persische Poesie, in welche er jetzt sich ganz zu versenken scheint. Hammers Uebersetzung des Divan von Hafiz mag ihm dazu die erste Anregung gegeben haben. Er hat den Winter über unzählige kleine Gedichte in diesem Styl hervorgebracht und viele davon vorgelesen. Zu bedauern ist nur, daß wir darüber den vierten Theil der Biographie wohl noch eine Zeitlang werden entbehren müssen. Doch wer weiß, ob wir diesen ohnehin so bald bekommen hätten? Ich glaube fast, er wird die Erzählung für jetzt abbrechen (da von manchem, was nun folgen sollte, vielleicht noch nicht gut zu sprechen ist) und erst die Geschichte der italienischen Reise vorausnehmen, mit deren Redaction er sich vorigen Sommer beschäftigt hat.

Daß Goethe, zur Feier der Rückkehr des Königs von Preußen, ein Festspiel: »Das Erwachen des Epimenides« geschrieben, wird Ihnen wenigstens aus den Zeitungen bekannt seyn. Es ist endlich, am der Einnahme von Paris, in Berlin mit großem Beifall aufgeführt worden, und wird auch bald im Druck erscheinen. Ich bin höchst begierig darauf. Nach allem, was ich davon vernommen, muß es zu den ausgezeichnetsten Werken des alten Meisters gehören.

Von unsrem lieben Jena lassen Sie mich schweigen. Alles geht allmählig in Fäulniß über und bereitet sich zur gänzlichen Auflösung vor. Ohne eine völlige Revolution, ist an keine Besserung zu denken.

Eben so schweige ich, aus mehr als Einem Grunde, von der edeln Politik, so gerne ich mich darüber auch einmal mit Ihnen aussprechen mögte. Und wer weiß, ob, ehe Sie diesen Brief erhalten, die Welt sich nicht schon wieder einmal umgedreht hat? Damit geht es heut zu Tage gar schnell.

Ihrer lieben Pauline bringen Sie meine herzlichsten Grüße. Leben Sie wohl, theuerster Freund, und lassen Sie mich bald vernehmen, daß Sie mich noch nicht ganz vergessen haben.
Ihr

J.D. G.