Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Beyliegendes Brieflein, liebstes Kind, sollte auch von dem geliebten Lichtenfels abgesendet werden, als der artige Postsekretär mir sagte, es würde vor nicht abgehen können. Ich nahm es mit hieher, von wo es diesen Abend abgeht und wie ich einsehe nun doch wohl eher die lieben Hände berühren wird, als ich selbst.

So bin ich denn jetzt in Bamberg; ich habe schon eine Nacht ferne von Dir durchlebt, einen Morgen begrüßt, ohne Dich zu begrüßen. Ich bin im Hause meines Freundes, den Du bald selbst ausschelten magst von wegen der blassen Dinte, die er mir zu einem Brieflein an Dich gibt. Auf mein Adlersnest werde ich wohl nicht kommen; es ist zu weit ab; hier ist die Post im Hause und von der erwarte ich mein Heil. Mit Dir will ich hinaus fahren von dort nach jenen heiligen Bergen, wo mein Herz mit dem Deinen den (ich denke) ewigen Bund geschlossen. Liebstes Kind, das Einzige um das ich Dich bitte ist daß Du recht ruhig seyst, und mich ja nicht zu früh noch bestimmt auf irgend einen Tag erwartest, da alle Sachen der Art von so vielen, nicht zu berechnen den Zufällen abhängig sind. Ich empfehle Dich der Pflege und Obhut Deiner treuen Mutter wirf Dich noch einmal ganz und zutrauensvoll an ihr Herz sie wird Dich trösten, wenn Du es nöthig hast; ebenso das liebe Kind Julchen. Da Du mir gesagt, daß Bäder Dir sehr heilsam sind, so laß Dir bald nach der Rückkehr einige bereiten; ich weiß aus eigner Erfahrung, wie viel diese Erquickung zur Heiterkeit beyträgt. – Es ist heute drückende Hitze, Gewitterschwüle; leite der Himmel einen Weg so, daß ihr wohlbehalten in Gotha anlanget. Sonst will ich heute nichts hinzusetzen. Du kennst mein Herz und meine ganze Gesinnung. Sey heiter und froh in Deinem eigenen Himmel aus dem ich jetzt verstoßen lebe. Hoffentlich wirst Du den Wiederkehrenden gern wieder aufnehmen. Genieße noch fröhlich diese Tage Deiner holden Mädchenschaft, denke weiter nicht daran, daß einer kommen wird, der aus heißem Liebesdrang ihr Feind ist. Dir hatt’ ich bey’m Abschied nichts zu sagen. Der Mutter sehr viel. Wie glücklich bin ich, außer einem solchen Kind, wie Du, eine solche Mutter gewonnen zu haben.

Leb wohl, Du holde Heiterkeit; der Himmel ist über, wie in Dir.