Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Schreiben kann ich Ihnen wohl heute, bestes Kind, denn es ist grade der liebliche , an welchem ich Ihr Briefchen erhalten, dem ich mit großem Verlangen entgegengesehen. Ob aber diese Zeilen darum früher in Ihren Händen sind, als die am nächsten – (der einzige Tag außer Sonnabend, an dem man so viel ich weiß nach G˖[otha] schreiben kann) – abgehen sollen, weiß ich nicht. Doch rechne ich darauf, daß es mit den 8 Tagen, die ein Brief nach G˖[otha] gehen soll, nur so gemeynt ist, daß er 8 Tage unterwegs bleibt, wenn er nicht genau an dem Tage auf die Post gegeben wird, an welchem diese abgeht. Ich habe mich schon sehr geärgert über diese eigensinnige Postroute, die schlechterdings nur zweymal in der Woche offen steht. Ich rechne also mit Einem Wort, daß dieser Brief so wie der am Mittwoch abgehende, von heut über 8 Tage, d.i. den oder doch den in Ihren Händen seyn wird. Darauf gründe ich meine Hoffnung, daß Sie den würden abreisen können, und daß wir am zusammentreffen. Ist nun dieses mein Gebäude auf Sand gebaut, so ist es freylich schlimm; wie wollen wir es aber anders machen? und bleiben kann ich ja immer da, wo ich Sie erwarte, wenn ich nur überhaupt weiß, daß Sie kommen. Einige Übung in der Geduld würde es freylich abgeben; aber jemand, der sich so oft darinn üben müssen, empfindet es weniger. –

Nun zuerst den herzlichsten Dank, daß Sie kommen; meine Freude will ich gar nicht aussprechen.

Lichtenfels hat sich Pauline gar schön ausgedacht. Nur fürchte ich sind wir da nicht zum Besten; sodann sage ich Ihnen zum Voraus, daß ich die Paar Tage hindurch Niemand bey so lieben Freunden leiden werde als mich, und erschrecklich eifersüchtig auf sie, sogar meinen Freund Marcus, der es sich nicht nehmen lassen würde, täglich wenigstens einmal nach Lichtenfels zu kommen, auszuschließen suchen werde. Mein Gedanke wäre also dieser. Ich erwarte Sie im Posthause zu Gleußen, eine Station hinter Koburg, dessen ich mich als eines angenehmen und ansehnlichen Hauses zu erinnern meyne. Da ich doch wohl früher am Ort bin, werde ich die Gelegenheit schon erkunden und nach Befund der Umstände den Quartiermeister da machen. Befände sich, daß es schlecht ist, so könnten wir ja den nämlichen oder immer noch weiter. Vielleicht arrangire ich mich auf dem Hinweg mit Marcus darüber, und Er weiß uns noch ein besseres Quartier zu bereiten.

Gar zu traurig ist, daß uns armen Menschen, mir aber ins besondre die Tage so kurz zugemessen sind. Indem ich voll Freude bin, Sie nun einmal endlich zu sehen, kann ich nicht ohne Schmerzen daran denken, nach wenigen Tagen mich wieder von so lieben Freunden trennen zu müssen.

Fahren Sie nur fort, recht innig zu wünschen, liebe Pauline, da Sie nach Aussage der Ihrigen so glücklich darinn sind. Wirklich erfahre ich in diesem Augenblick die Wirkung davon. Sie haben sich Lichtenfels vielleicht nicht einmal gewünscht, nur gedacht, und siehe da am Ende meines Briefs komme ich, fast ohne zu wissen wie, selbst auf den Ort zurück. – Hintennach kommen auch die Gründe. Der erste ist, weil ich mir einmal vorgenommen in solchen Dingen nie meinem Kopf zu folgen, sondern wenn es seyn kann, dem einer Freundin, wobey ich mich immer wohl befunden; es ist wahr, über die glückliche Divination der Frauen geht nichts. Der zweyte Grund ist, daß Sie, liebe Pauline, es gewünscht haben, der geht über alle. Der dritte endlich ist von den verwünschten Zeiten hergenommen; da wir nicht wissen können, ob in Gleußen, das an der Hauptstraße liegt, nicht andre Quartiermacher als ich sich finden möchten. Lichtenfels liegt verborgener, wenn schon auch an der Straße doch nicht an der Heerstraße. Die übrigen Bedenklichkeiten meines Neids und meiner Eifersucht hoffe ich noch beseitigen zu können. –

Und so gebe dann der Himmel Glück und Heil zu unsrem Zusammenkommen. Wenn Sie glauben, liebe Pauline, daß inbrünstige Gebete durch den Himmel dringen, daß der reine Wille eine Kraft ist, die selbst die Gottheit bewegt, so lassen Sie es Ihrerseits an Gebeten nicht fehlen. Was das Wetter betrifft, hat sich nach einigen Regentagen der Himmel schon wieder Ihren Wünschen geneigt. Aber das Wetter macht es nicht allein, wenn gleich viel. Urlaub zu erhalten habe ich das vorläufige Versprechen; aber um Sie zu sehen lief’ ich auch ohne Urlaub fort, wenn es nöthig wäre.

Nun also die Summa dieses nur weitläufigen Briefs kurz zusammenzufassen, so besteht sie darin:

die liebe Mutter sammt allen lieben Kindern kommt, wenn es nur möglich ist, bis zum Abends nach Lichtenfels, wo Sie einen Freund finden werden, dem die 12 Tage von heute bis dann wie ein Monat vorkommen werden.

Bleiben Sie nur fein alle wohl; grüßen Sie Mutter und Schwestern auf’s Schönste.

In großer Eile.

N.S.

Noch fällt mir bey, daß Sie um in’s Baierland hereinzukommen durchaus eines Passes bedürfen. Ich habe das Reglement darüber nachgesehen; es fodert nichts als daß der Paß von einer bekannten Behörde des Landes, aus welchem der Reisende kommt ausgestellt sey, und verlangt ein richtiges Signalement. Mit diesem wird es zwar nicht allzu strenge gemeynt seyn; aber Sie werden schon, liebe Pauline, ein kleines Gemälde in Worten von sich mitbringen müssen. Auch die Anzahl der Personen muß genau bestimmt seyn.