Gotha .
Wie liebenswürdig ist es von Ihnen, bester Schelling! uns so bald wieder zu antworten! Kaum traute ich meinen Augen wie ich Ihre Hand erblickte; nun soll Ihnen auch gleich auf der Stelle der schönste Dank dafür gesagt seyn. Ihr lieber Brief fand uns auch wieder recht ruhigen Sinnes, die unstäten Gäste hatten das Haus geräumt, die alte Ordnung war wieder eingekehrt, und alles Unangenehme vergeßen. Die Militairstraße ist nun auch von Gotha verlegt und für die nächste Zukunft wenigstens nichts zu fürchten; aber Ihre freundlichen Vorschläge über den Tausch des Wohnplatzes haben uns doch nicht ganz unberührt gelassen, wohl fänden wir es schön und wünschenswerth in solcher Nähe mit dem lieben Freunde zu leben, wie angenehm und gemüthlich – kann man sich das ausdenken, welche Lust für ihn zu sorgen, ihm in allen Wünschen entgegen zu kommen. Und doch bleiben es nur Träume, die in der Idee leicht auszuführen sind, denen aber in der Wirklichkeit tausend Schwierigkeiten entgegen treten. Um Ihnen nur eine zu nennen, so sind wir jetzt wie die Schnecken an unser Haus gebannt, ohne es so leicht und bequem mit uns nehmen zu können; wir haben wohl längst gewünscht es zu veräußern, in der gegenwärtigen Zeit ist aber gar keine Hoffnung dazu. Vielleicht daß die Zukunft etwas günstigeres für unsre Wünsche heranleitet.
Endlich ist die Frühlingssonne durchgedrungen, und alles gewinnt schon wieder ein munteres Ansehn; da werden denn auch die Anregungen lebhafter, die Stadt zu verlassen und auf dem Lande das Erwachen der Natur zu feyern. Meine Freunde in der jenaischen Gegend machen ihre Ansprüche auf mich geltend, die schöne Jahreszeit wieder mit ihnen zuzubringen; aber Sie begreifen wohl, daß ich mir noch keinen Entschluß habe abdringen lassen; die Aussicht Sie zu sehn, bester Schelling, ist so reizend und jede andere Freude verschwindet so ganz daneben, daß so lange wir diese noch im Auge haben, ich keine befriedigende Antwort geben könnte. Richten Sie alles nach Ihrem Wunsch und Willen ein in Rücksicht auf Zeit und Ort, jeden Augenblick werden Sie uns lieb und willkommen seyn; aber ich wiederhohle Ihnen auch die Versicherung, sollte Ihre Reise mit weniger Schwierigkeiten für Sie verknüpft seyn, wenn Sie die bayerische Grenze nicht überschreiten, so kommen wir Ihnen mit Freuden an dem Ort entgegen, den Sie bestimmen.
Sie haben wohl gethan sich so einen artigen Landsitz zu miethen; aber feßeln darf er Sie nicht, lieber Schelling! Das Plätzchen muß gar hübsch und heimlich, nach der Beschreibung seyn. Wäre es doch statt von München, von Gotha nur eine Stunde, da sollte oft nach Mariä-Einsiedel gewallfahrtet werden.
Welche Sensation erregt Ihr Buch, bester Schelling! In Jena hat es eine solche Bewegung in die Gemüther gebracht, daß seit seiner Erscheinung an nichts anders gedacht, von nichts anderm geredet, und nur für und wider gefochten und gestritten wird. Der größte Theil schlägt sich mit Feuer und Flamme zu Ihrer Fahne, und nur wenige ergreifen Jakobi’s Partey. Auch Goethe soll sich freuen, daß die Wahrheit siegt. Neulich hat er als Tischgespräch scherzhaft geäußert – Ihren Gott begriff’ er zwar nicht; aber der Gott, der sich mit dem alten Jakobi und seinen beyden Schwestern amüsieren könnte, müßte doch ein kläglicher Gott seyn.
Noch diesen gedenkt G˖[oethe] nach Karlsbad zu gehn.
Die neue Einrichtung der Academie ist Ihnen wohl angenehm bester Schelling! in so fern sie wenigstens nun nicht unmittelbar unter dem Präsidenten stehn? Wir wußten noch nichts davon, denn mit Jacobs sprechen wir fast nie von München, wir haben gegenseitig zu verschiedenes Interesse, und so ist es besser wir schweigen beide damit die Verhältnisse immer freundlich bleiben.
Leben Sie nun wohl, bester Schelling! die liebe Mutter und Schwestern sind alle wohl und grüßen herzlich, bleiben Sie unsrer immer eingedenk, wie wir Ihrer mit ganzer Seele.
Pauline.