An Herrn
Dr. Schubert
Erzieher der Kinder Sr. Kön˖[iglichen] Hoh˖[eit]
des Erbgroßherzogs
von Mecklenburg
zu
bey Schwerin
Mecklenburg
Fr[an]co
Geliebter Freund!
Der ausführliche Brief, mit dem Sie noch vor der Abreise von Nürnberg mich begrüßten, hat meinem Herzen wohlgethan. Ich habe daraus Ihre Liebe erkannt und die Unauflöslichkeit unserer Verbindung. Eine Liebe, wie Sie mir bezeugen, kann man eigentlich nicht verdienen; um so höher schlage ich sie an; mögen unsere Wege äußerlich noch so weit auseinandergehen; innerlich, ich fühle es, sind sie mit einander verflochten, und nie können wir uns fremd werden.
Nach allen den vorausgegangnen Umständen wie Sie mir solche gemeldet, glaube ich: Sie sollten und müßten dem Rufe folgen. Haben Sie nun auch einen in mancher Hinsicht schwierigen Weg betreten, so muß dieses Sie stärken, daß so sichtbar höhere Führung dabey gewaltet. Ich urtheile um so unbefangener, je schwerer in diesem Augenblick selbst mir auf das Herz fällt, daß wir für diese Welt vielleicht für immer von einander getrennt sind und uns in diesem Leben nicht mehr sehen werden. Ich will diese wehmüthige Empfindung nicht durch den Vorwurf trüben, den ich in meinem Innern nicht ganz unterdrücken konnte, darüber, daß Sie nicht noch einige Tage darauf gewendet, Ihre Freunde, die es so oft gewünscht hatten, in München zu besuchen. Zwischen uns waltete darinn ein eignes Geschick. In Jena kamen Sie mir, nachdem ich Sie einmal gesehen, ich weiß nicht wie, aus den Augen; Zweymal traf ich Sie nicht in Nürnberg, das dritte Mal drückte mich Krankheit nieder und wehrte jede innigere Bewegung und lebhaftere Schwingung des Geistes. Jetzt ziehen Sie in die Weite, ohne eine Hoffnung des Wiedersehens zurückzulassen. Es scheint, mein Weg soll immer einsamer werden, alle Freunde mir ferner. Ein harter Schlag nahm mir Gehlen hinweg, den Einzigen in München, der mir, und dem ich ganz Freund seyn konnte. Seitdem ist Pfetten auch mir genommen worden. Ist es ein Wink, daß meines Bleibens auch nicht hier seyn soll? Bis jetzt war diese Einsamkeit mir heilsam; nahm sie mir die Anregung hinweg, so auch manche bedeutendere Störung. Vielleicht ist grade dieser Ort das Asyl, von dem aus ich für die Wahrheit wagen kann, was in anderen Verhältnissen ganz unthunlich wäre. Wie dem sey, so weiß ich, daß, sobald es mir hier zu eng’ werden sollte, ein Ausgang mir bereitet ist. Haben Sie doch, bey den eingegangenen Verbindlichkeiten, gesorgt, auch Zeit für Sich zu behalten?
Es liegt mir viel daran, durch Sie soviel möglich Genaues von Ihren dortigen Verhältnissen zu erfahren, und wie Sie Sich in Ihre ganze Lage finden. Und da wir fast an den zwey Enden von Deutschland wohnen, bitte ich Sie, mir auch Mittel und Wege zu geben, Ihnen zuzuschicken, was nicht bloßer Brief ist. Die Zeit meines Wiederhervortretens ist nahe; mehr und mehr, hoffe ich, soll auch der wissenschaftliche Bezug zwischen uns an Lebendigkeit gewinnen. Um größerer Sicherheit willen bitte ich Sie auch um Ihre bestimmte Addresse.
Meine besten Wünsche haben Sie in Ihre neue Laufbahn geleitet; wie ich Sie bey’m ersten Blick erkannt, wird die innigste Überzeugung von Ihnen und die darauf gegründete Liebe immer in mir bleiben.
Meine Frau dankt herzlich für Ihr Andenken, und bittet, sie, nebst mir, auch Ihrer lieben Frau, unbekannter Weise, zu empfehlen. Der Herr sey mit Ihnen und allem Ihrem Thun! Dieß ist der Segen und Wunsch Ihres alten und treuen Freundes,
Schelling.