Sr. Hochwohlgeborn
Des Herrn von Schelling K˖[öniglich] b˖[aierischen] Direktor’s
und General-Sekretair’s der Academie der Künste pp
zu München
P˖[er] Gelegenheit.
Schäzbarster Freund!
Der Ueberbringer dieses Schreibens, mein Schüler namens Schoenlein, ist ein eben so braver als talentvoller Mensch der mit einem grosen Fleiße eine eben so warme Liebe zu den Naturwissenschaften verbindet, worin er seit einiger Zeit angefangen hat, sich schöne empirische Kenntnisse zu sammeln; sehr glückliche Fortschritte hat er auch in den Anfangsgründen der Philosophie gemacht. Ich lasse Ihnen gern diese Zeilen durch ihn übergeben, weil ich weiß, daß er sich sehr glücklich schäzt, Sie auch nur einen Augenblik zu sprechen.
Aus Ihrem lezten Briefe sah ich, was ich freilich schon aus anderen zu uns gekommnen Nachrichten zum Theil erfahren hatte, daß ein Theil Ihrer vorgenommenen Arbeiten beendigt sey, und der andere seiner Vollendung sich nähere; ich freue mich unbeschreiblich auf die Erscheinung derselben, da ich während der lezten Ferien wohl einsah, welche neue Fundgruben Sie im Geisterreiche entdeckt haben, und wie unendlich wichtig die Ausbeute werden müße. Es ist herrlich, daß Sie so gern und bald Ihr Eigenthum zu einem Gemeingut für alle Freunde wahrer Wissenschaft zu machen bereit sind. Hoffentlich wird uns in dieser messe schon ein Theil zum Genusse dargebothen.
Mich wunderte es sehr, von Ihnen zu vernehmen, daß Sie nicht der Recensent meiner Verstandeslehre in der Jen˖[aer] L˖[iteratur]Z˖[eitung] seyen; ich ließ mir gar Niemanden einfallen als Sie, weil ich gleich im Eingange, wo der Rec˖[ensent] seine eigene Denkweise über die Logik Kund giebt, nur Sie sprechen zu hören glaubte. Wissen mögte ich nun wirklich, wer denn der Verf˖[asser] sey; Windischmann ist es auf keine Weise; wenn Schleiermacher solche Schriften seiner Aufmerksamkeit würdigte, würde ich auf diesen rathen, sie ist unterschrieben mit dem Buchstaben J.C.G. Sch. und steht im Januar Heft d˖[ieses] J˖[ahres] No. 8–9. Ausziehen kann ich daraus nichts, was für Sie wissenschaftlich interessant seyn könnte; indem es bey den meisten Stellen, die mir am besten gefielen, nicht anders wäre, als hörte ich Sie selbst sprechen. – Meine kleine Schrift über die Ethik wird in dieser Ostermesse zuverläßig erscheinen, und ich wünsche nichts mehr, als daß sie Ihnen nicht misfallen möge.
Literärisch Interessantes und Neues habe ich zeither wenig gesehen; am wenigsten im philosophischen Fache, wo grose Stille herrscht, wenn nicht zuweilen in Landshut Salat und Köppen ein Geklapper verursachen. Die Religionsphilosophie vom ersteren sah ich flüchtig durch und ich muß bey meiner Ehre versichern, daß ich in meinem Leben kein schlechteres Werk, das auf Wissenschaft Anspruch machte, gelesen habe, als dieses; es ist auch nicht eine nur halb beyfallswürdige Eigenschaft an ihm; am gehässigsten ist auch hier wieder seine auf jeder Seite vorkommende Polemik gegen Sie und alle Idealistiker, wie er sie nennt, welche in seinen Augen die dummsten und schlechtesten Leute sind. Sein Recens˖[ent] in der oberdeutschen Lit˖[iteratur] Z˖[eitung] scheint sich eine besondere Mühe mit diesem Pinsel gegeben zu haben, um ihm seine zu auffallende Armseligkeit in jeder Rücksicht nachzuweisen; die Recension ist wirklich sehr zwekmäßig und treffend; nach allen Anzeigen ist es ein Fichtianer, doch sagt er dem Salat, daß aus seiner zum Ekel wiederkehrenden Polemik gegen die Naturphilosophie soviel hervorgehe, daß er keine Sylbe davon verstehe. – Salat hat nun schon wieder gedroht, ein ganzes Buch gegen diese Recension zu schreiben – Dem Marcus hat es eine große Freude gemacht, daß Sie ihm endlich einmal geschrieben haben; er war auffallend darüber erfreut. M˖[arcus] ist wirklich gegen seine Gewohnheit sehr fleißig; und wenn auch der Erfolg vielleicht eben nicht sehr wichtig für die Wissenschaft ist, so ist es doch gut, daß sein Geist diese Richtung genommen hat. Einige günstige Recensionen in der Salzburger Medizinischen Zeit˖[ung] haben seinen Fleiß wieder aufs Neue gespornt, so daß er seinen Plan schon wieder erweitert hat.
Ueber Ihren freundlichen Gruß war Frau Fränz ungemein erfreut; sie sagt, sie fühle sich durch ein solches Angedenken ganz entschädigt für den Druck, und die Unannehmlichkeit in denen sie lebe. Es ist wahrlich eine engelreine, anspruchlose Seele, in welcher eine erhabene Denkart herrscht. Sie erwiedert Ihre Begrüßung auf das schönste, und arbeitet sehr fleißig an dem Schirm; er wäre längstens fertig, wenn sie nicht sooft schon ihre Arbeit wieder vernichtet hätte, aus Unzufriedenheit mit derselben –
Wie ich neuerdings höre, soll es noch nicht entschieden seyn, daß Herr Niethammer nach Erlangen abgehe; vielmehr sey es wahrscheinlich, daß er unter gewissen ihm zugesicherten Bedingungen bleiben werde. Es sollte mich sehr freuen, wenn das letztere der Fall wäre; vielleicht käme es dann einmal zu einem Bruche mit der schlechten Reaction –
Leben Sie wohl, bester Freund, und behalten Sie im guten Andenken den Ihnen
mit ganzem Herzen ergebenen
Klein