Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Unstreitig haben Sie schon s˖[elbst] mich entschuldigt wegen der verzögerten Antwort. Ihr erstes Schreiben d˖[e] d˖[ato] nebst der Skizze Ihrer Rel˖[igions]philos˖[ophie] war mir zwar schon im desselben Jahrs (unbekannt von wem) aus München zugeschickt worden, aber den Erfolg oder vielmehr Nichterfolg Ihrer Eingabe an unsern König habe ich erst durch Ihre erhaltnen Briefe vom und dieses Jahrs erfahren. — Hiedurch veranlaßt habe ich auch erst Ihre Skizze gelesen, die ich in Erwartung, vielleicht drüber gefragt zu werden, bey Seit’ gelegt hatte. Um Ihr freundliches Zutrauen zu erwiedern will ich Ihnen kürzlich sagen, wie sie mir erscheint. Ihre Hauptvorstellung ist unzähliger Variationen fähig, an denen es uns in Deutschland auch nicht fehlt man kann nicht grade sagen, sie sey irrig aber sie ist nicht die rechte (versteht sich immer nach meiner Einsicht) und dieß, meyne ich ist schon genug, Sie zu noch längerer Forschung zu bewegen. Bey unsrer weiten Entfernung von einander, welche so bald aufzuheben demnächst nach dem was Sie schreiben keine Aussicht ist, so wie bey den vielen Geschäften, die theils schon jetzt auf mir liegen, theils in noch höherem Maß mich erwarten, kann ich mich nicht darauf einlassen, Ihnen jenes Urtheil genauer auseinanderzulegen, und muß mich nothgedrungen mit Ihnen auf denselben Fuß setzen, auf dem ich seit langer Zeit mit viel näheren Freunden stehe, Sie auf meine Schriften zu verweisen, die ja doch vorzugsweise an Freunde gerichtet sind; namentlich an die schon im J˖[ahr] erschienene, Ihnen wahrscheinlich unbekannt gebliebne Abh˖[andlung] über das Wesen der menschlichen Freyheit (viel wichtiger, als Philos˖[ophie] und Rel˖[igion] - sie steht im ersten Band meiner philos˖[ophischen] Schr[iften]. Landshut bey Krüll. 8. und befindet sich wahrsch˖[einlich] auch in der Schwedischen Gesammtausg˖[abe] meiner Schriften) besonders aber auf die demnächst erschein˖[enden] Vorles˖[ungen] über die Bed˖[eutung] der Mythol˖[ogie] drey Theile, ein Buch das Sie vollkommen über unser gegens˖[eitiges] Verh˖[ältniß] aufklären wird. Wollte Gott, ich könnte etwas Reelles für Sie thun, und Sie nach Deutschl˖[and] bringen! Allein dazu habe ich vor der Hand wen˖[igstens] keine Hoffnung. Aber schreiben Sie mir immer, wenn es Geleg˖[enheit] dazu gibt; auf jede Weise, die meine Verhältnisse und meine Zeit erlauben, Ihnen zu dienen werde ich mir immer zur Freude rechnen. Mein lieber unvergeßlicher Kernell hat auch Bruchstücke aus jenen mythologischen Vorl˖[esungen] seinem Tagebuch einverleibt. Wenn aber die Übers˖[etzung] die mir davon gemacht worden (ich s˖[elbst] verstehe nicht Schwedisch) richtig ist, so hat er meinen Sinn, vielleicht wegen Schwier˖[igkeiten] der Sprache, keineswegs tief genug aufgefaßt und in einigen (freylich Neben-)Puncten mich sogar das Gegentheil von dem sagen lassen, was ich gesagt. Ich berechtige Sie, bey einer etwaigen Übersetzung von dieser Bemerkung Gebr˖[auch] zu machen.

Und so muß ich denn für dießmal von Ihnen mich trennen, ohne Ihnen einen weitern Trost geben zu können, als, wenn Sie dieß für einen nehmen wollen, die Versicherung meiner herzlichen Theilnahme, meines innigen Wunsches daß Ihnen geholfen werde, und meiner aufr˖[ichtigen] Hochachtung

Sch