Liebster Bruder!
Mit dem reinsten Vergnügen haben wir aus Deinem letzten Brief die guten und höchsterfreulichen Nachrichten entnommen, die Du uns von Deinem und aller der Deinigen Wohlbefinden, insbesondre aber von den neuen frohen Hoffnungen ertheilst, zu denen Dich Deine liebe Frau berechtiget; gebe Gott, daß der Verlauf eben so glücklich wie der Anfang sey und Vater und Mutter zugleich fortwährend durch das Gedeih’n und glückliche Fortschreiten der kleinen Marie erfreut werden. Auch an den übrigen Nachrichten, die Du uns besonders in Bezug auf Me. Keßler mittheilen wolltest, haben wir uns sehr erfreut und bitten Dich, sowohl der liebenswürdigen Schwägerin selbst als auch besonders in der Akad˖[e]mie unsern herzlichsten Glückwunsch zu dem neuen Enkelchen zu bezeugen.
Auch wir haben, Gott sey Dank, den langen schneereichen ohne sonderlichen Anstoß mit allen Kindern glücklich durchlebt.
Du hattest früher die Güte, mir Deine Verwendung für den Fall anzubieten, wenn ich die Absicht hätte, meinen Paul in ein Wirt˖[embergisches] Seminarium aufnehmen zu lassen. Ich habe mich aus Gründen, die meist in Paul’s Persönlichkeit liegen, nicht wohl dazu entschließen können; jetzt wo es sehr zweifelhaft ist, welche Aufmerksamkeit ich in den nächsten Jahren dem Entwicklungsgang der beyden Knaben werde widmen können, würde es mir freylich sehr erwünscht seyn, für Friz, den ich geeigneter für diese Laufbahn halte, die Aufnahme erlangen zu können. Es schien damals, daß der Sache, ohngeachtet meiner Entfernung aus Wirtemberg, wo ich mir indeß Unterthanenrecht und jus regrediendi ausdrücklich vorbehalten habe, an sich keine Schwierigkeit im Wege stehe. Wäre nun dieß auch jetzt der Fall, so daß man sich wenigstens nicht der unmittelbaren Gefahr einer abschläglichen Resolution aussetzte, so wollte ich Dich bitten, nachdem die von Seiten des Schulamtes nöthigen Einleitungen seiner Zeit durch Herrn Rector Plank werden getroffen werden, mich wissen zu lassen, was von meiner Seite weiter dabey zu beobachten seyn würde, oder ob Du vielleicht Mittel wüßtest, die Sache ohne weiteren Schritt, oder eine Eingabe von meiner Seite, auf dem kürzesten Weg zu Stande zu bringen, da es sich doch vorerst bloß von der Zulassung zum Landexamen handelt, wenn ich gleich freylich diese als keine Wohlthat ansehen könnte, wenn alsdann erst bey der wirklichen Aufnahme noch Schwierigkeiten wegen meines Domicil’s im Auslande entstünden. Sollte der oben erwähnte allgemeine Vorbehalt nicht hinreichen, so müßte ich etwa unser vom Vater ererbtes Sulzer Bürgerrecht wieder hervorsuchen; da dieß ungesäumt geschehen müßte, so ersuche ich Dich für diesen Fall, mir so bald, als es nur immer Deine Geschäfte erlauben würden, Nachricht davon zu geben.
Es würde mir und meiner lieben Frau eine große Freude seyn, auf nächste der Confirmation unsres Erstgebornen persönlich beyzuwohnen. In diesem Fall würde ich hoffen, Dich und vielleicht auch die liebe Schwägerin in Nürtingen an diesem Tage zu sehen; zugleich könnten wir dann unser liebes Clärchen selbst aus Deinen Händen wieder in Empfang nehmen; dieß ist auch der Grund, warum ich dieser Sache schon jetzt erwähne, da sie noch ferne ist, und obgleich ich, bey Berechnung meiner Zeit und Umstände, beynahe fürchte, mir auch diese wie so manche andre Lebensfreude, am Ende versagen zu müssen.
Ich bitte Dich, das anliegende Paket baldmöglichst nach Nürtingen zu befördern.*)
Wir bitten Dich insbesondre, auch einmal wieder den lieben und von uns innig Verehrten Wächter’schen uns zu empfehlen, Grüße an Beate versteht sich.
Lebe recht wohl und behalte in gutem Andenken
Deinen
tr˖[euen] Br˖[uder]
Fr.