Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

MedicinalRath Dr. Schelling

in

Stuttgart.

frey.

Liebster Bruder!

Ich melde Dir vorläufig, daß mein Wunsch, künftig in Erlangen zu leben und mein Anerbieten dort, soweit es meine Gesundheit erlaubt, Vorlesungen zu halten, mit einer Liberalität und Grosmuth genehmiget worden ist, wie man sie nur von unserer Regierung erwarten kann. Nachdem nun mein gnädigster König und Herr, Max Joseph, dieß gut gefunden, wird es sich mein gestrenger Bruder, hoffe ich, auch gefallen lassen; auch denke ich, mich dort so einzurichten, daß mir der (wenn gleich unverdiente) Vorwurf der Lust zum Wechsel auch nicht mit dem geringsten Scheine gemacht werden kann. Dieß im Scherz! Das Erfreulichste ist, daß mir der Aufenthalt zu Erlangen, mit meinem ganzen Gehalt von beyden Akademieen, auf unbestimmte Zeit gestattet und zugleich ausgesprochen ist, daß ich in der Folge von meinen gegenwärtigen Stellen völlig abkommen kann, wenn entweder meine Gesundheit nicht hergestellt seyn sollte oder wenn ich nur überhaupt wünsche, mich dem academischen Lehramte ausschließlich zu widmen, dergestalt daß ich vor jetzt völlig frey dastehe, berechtigt zu lesen und nicht zu lesen, ohne doch von der andern Seite diese Verändrung des Aufenthalts als eine bloß temporäre betrachten zu müssen, und daß der Rücktritt in – oder der völlige Austritt aus meinen gegenwärtigen Verhältnissen gänzlich in meine eigne Wahl gestellt ist. Dieß ist alles, was ich wünschen, und ehrenvoller als ich es nur träumen konnte, dazu hat sich alles so leicht und mit so weniger Mühe wie von selbst gemacht, daß ich schließen zu dürfen glaube, es sey nicht bloß der Menschen sondern ein höherer Wille. Nun werden wir auch nicht säumen, von hier abzugehen; wir haben die Aussicht auf eine gute und schöne Wohnung und da wir alle unsre Sachen mitnehmen, so hoffe ich schon wieder in der Hauptsache in Ordnung zu sein.

Grüße bestens Deine liebe Frau, der wir für Ihren letzten Brief, den zu beantworten meine Frau leider noch keinen Augenblick finden konnte, herzlichst danken – und alle die lieben Unsrigen.
(Die obigen Umstände kannst Du alle guten Freunden mittheilen, das königliche Rescript ist heute ergangen, also alles officiell richtig. Ich schicke Dir noch die Acten, damit Du selbst siehest, wie gut ich hier weggekommen bin)
Unser gutes Clärchen herze und küsse für uns und behalt sie lieb und uns
Dein
tr[euer] Br[uder]

Fr.