Liebster Bruder!
Schon längst hätte ich Dir wieder schreiben sollen. Verzeih’ meine Saumseligkeit der Art von Unfähigkeit, die mich noch oft befangen hält. Ich leide von keinem wesentlichen Übel, aber das traurige Gefühl, nicht völlig gesund werden zu können, trübt mir den Geist und hindert, mit körperlichen Beschwerden vereint, mich selbst am Briefschreiben, geschweige an ernstlicherer Arbeit. Die unangenehme Witterung, welche hier eine Menge Krankheiten erzeugt, ist das größte Hinderniß meiner Genesung. Noch habe ich bis jetzt nur Einmal – seit fast drei Monaten das erstemal – wieder ausgehen können, es war ein schöner und sonniger Tag, aber seitdem leide ich auch am heftigsten Schnupfen mit Kopfweh, wozu sich denn auch die gewöhnlichen Unterleibsleiden gesellen. Es scheint eben, als solle ich nie wieder gesund werden, in dem hiesigen Clima wenigstens. Du wirst, wenn ich nach Stuttgart komme, Deine Kunst und Wissenschaft an mir beweisen können; vielleicht findest Du wenigstens, wo der Grund des Uebels liegt, was alle meine bisherigen Ärzte nicht vermochten. Ich hoffte sicher, mit oder doch die Reise antreten zu können; aber die Masse Schnee, die der Himmel wieder zwischen uns geworfen, und das durchaus ungesunde, zwischen Aufthauen und Frieren oft binnen einer Stunde wechselnde, Wetter schiebt die Erfüllung dieser Hoffnung noch in ziemliche Ferne hinaus. Eh’ ich die Reise wagen dürfte, müßte ich doch wenigstens längere Zeit zuvor mich der Luft ausgesetzt haben und wieder angefangen haben, wie ein andrer Mensch zu leben. Aber eben diese Vorübungen leidet die Witterung und mein bisheriges Befinden nicht. Noch immer habe ich auch den Schmerz in der linken Seite, eben da, wo ich während des Fiebers das Stechen empfand. Der Schmerz weicht und wankt nicht, eher nimmt er bisweilen zu als ab – doch genug von diesen unangenehmen Dingen. – –
Die unerwartete Nachricht von dem unsres guten Onkels hat mich recht betrübt. Ich hatte mich gefreut, ihn nach so langer Zeit einmal wieder zu sehen und hätte ihm gern, auch noch meine Kinder gezeigt. Auch dieß sollte nicht seyn. Ihm gönne ich seine Ruhe, die er redlich, wie nicht leicht einer, verdient hat, und wie man auch übrigens von ihm denken möge, seines Gleichen wird die Wirtembergische Kirche nicht sobald wieder sehen. Ich erkenne es als eine besondre Güte von ihm, daß er auch meiner in seinem letzten Willen nicht vergessen, da ich ihm so lange Zeit fern und fremd war.
Ich wünsche sehr, heute auch noch, endlich einmal, unsrer lieben Schwester, dann Herrn von Wächter und Louis Gross antworten zu können. Wenn es nicht geschieht, so entschuldige mich damit, daß Schnupfen- Kopf- und Augenschmerzen es nicht erlaubten, und sage einstweilen Herrn von Wächter so wie dem Louis daß ich die überschickten 500 fl. richtig empfangen habe.
Lebe recht wohl mit Deiner lieben Frau, der wir uns herzlich empfehlen. Unsre Kinder sind wieder ganz wohl. Paul und das jüngste sind vom Scharlach verschont worden. Ich sehne mich recht, bald zu Dir zu kommen, aber noch bin ich weit davon. Nochmals leb’ recht wohl.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Fr.