München den .
Liebster Bruder!
Ich habe alle Deine Briefe erhalten bis auf den einen, der die Antwort auf meinen ersten an Dich geschriebenen Brief enthalten haben muß. Bist Du gewiß, diese Antwort geschrieben zu haben, so muß sie wohl auf irgend eine Art verloren gegangen seyn. Die Ursache, warum ich Dir so lange nicht geschrieben, lag bloß darin, daß ich neuerdings krank wurde, nicht an einer Brust-, doch an einer Halsentzündung, die ich ebenso wie früher die meiner Frau dem in unserm Hause wirksamen Miasma des Scharlachfiebers zuzuschreiben sehr geneigt bin. Dieses Uebel traf mich im besten Fortschritt zur Wiedergenesung, und nachdem ich schon ziemlich wieder Kräfte gesammelt hatte; allein theils an sich selbst, theils weil wieder Blutigel und eine Aderlässe (vielleicht nicht allzunöthiger Weise) verordnet wurden, so wurde ich dadurch gar sehr zurückgeworfen und kann den Tort, der mir dabey geschehen, noch jetzt nicht völlig verwinden. Es scheint mir, ich wäre nicht nur schneller, sondern auch zu besserer Gesundheit wiedergeneßen ohne diese leidige Episode. Das Unglück kam eben an dem Tage wo ich das erstemal ausfahren wollte, nun bin ich inzwischen zwar einmal ausgewesen, aber durch die Witterung auch gleich wieder in das Haus gebannt. Ehe ich wieder in die Luft komme, wird sich die Mattigkeit der Extremitäten und die üble Beschaffenheit des Unterleibs wohl schwerlich bessern. Ich thue übrigens mein mögliches mit starken Brühen und Fleischgenuß. Deine liebe Frau hat auch in dieser Hinsicht für mich gesorgt, indem sie mir durch Herrn Vellnagel aus Rotterdam eine schöne Quantität Consome zuschickte, wofür ich Dich bitte ihr in meinem Namen herzlich zu danken.
Inzwischen ist auch unser Fritz, von dem ich Dir schrieb, daß ihn Frau von Köhler zu sich genommen hatte, mit den Schafblattern befallen wieder zu uns gekommen, denen bald das Scharlachfieber, jedoch unter sehr gelinden Symptomen, folgte. Vor wenigen Tagen ist jener Ausschlag auch bey Paul ausgebrochen und ich zweifle nicht, daß der Scharlach ebenfalls darauf folgen und endlich auch noch unser jüngstes Kind diese Krankheit durchmachen werde.
Dieser Umstand setzt die Möglichkeit einer Reise mit der ganzen Familie schon ziemlich weit hinaus, die ich übrigens vor auf keinen Fall mit kleinen Kindern, selbst bey kleinen Tagreisen, machen möchte. Da ich übrigens äusserst wünsche Dich bald zu sehen, da ich auch meiner Frau und meinen Kindern gerne eine solche Freude, zur Erholung, gönnen möchte, und Dein und Deiner lieben Frau Einladungen so liebevoll und entschieden sind: so verspreche ich Dir, wenn sonst nichts dazwischen kommt, um die angegebene Zeit mit allen den Meinigen auf etwa 14 Tage zu Dir zu kommen; auf längere Zeit werde ich anderer Ursachen halber vielleicht ohnedieß mich nicht entfernen können. Nimm inzwischen Du nebst Deiner lieben Frau unsern herzlichsten Dank für euere so freundliche Einladung.
Bey unserer lieben Schwester entschuldige mich mit den Umständen daß ich ihr noch immer nicht geantwortet, und lebe recht wohl.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Fr.
N.S.
Herrn von Wächter bitte in meinem Namen, die ganze für mich vorräthige Summe, und zwar sobald es seyn kann, und womöglich wieder per Wechsel, mir zu schicken. Bedarf es deßhalb eines besondern Briefs, so werde ich diesen, auf den ersten deßhalb erhaltnen Wink nachschicken.