Herrn MedizinalRath
Dr. Schelling
in
fr˖[ey] Gr[än]ze.
Carlsbad den .
Liebster Bruder!
Wie ich Dir schon geschrieben, fuhren wir Nachm[ittags] nach Erlangen, wo ich einen Theil des Abends in Gesellschaft einiger Professoren, worunter auch Schubert, Pfaff sich befanden, ganz vergnügt zu brachte. Hier machte der Kutscher, den wir mit den Kindern vorausgeschickt hatten, einen rechten Schwabenstreich, indem er aus eigner Macht in das nächste beste Wirthshaus fuhr, das ihm ein anderer Kutscher empfohlen hatte; bey unsrer Ankunft mußten wir daher die Kinder erst holen lassen und auslösen. Am andern fuhren wir noch 3 Stunden zusammen, da trennten wir uns auf der Landstraße, meine Frau mit den Kindern zog gen Bamberg, ich Baireuth zu. Paul weinte sehr und flehete laut, daß ich ihn doch mitnehme, um nicht so allein zu seyn, der gute Junge dachte in dem Augenblick nicht daran, daß er mir mehr zur Last als zum Vergnügen seyn würde. Friz dagegen, der immer erklärt hatte, mit mir hieher gehn zu wollen und der es auch gethan haben würde, sagte sein Adjeu! so trocken, als wenn er auf einen Spaziergang sich begäbe. Meine Frau kam des Tages noch nach Lichtenfels, wo sie Abends, durch den Anblick eines Sackes, der die nothwendigsten Dinge, die man täglich auf der Reise braucht, für mich enthielt und der leider in ihrem Wagen geblieben war, in großem Schrecken und Noth, mehr als billig, versetzt wurde. Den andern 4 Uhr, da ich eben in den Wagen steigen wollte, trat ein Postknecht mit dem unglücklichen Sack herein, den sie mir noch par Estaffette in der Nacht geschickt hatte. Sie hätte wohl verdient, in dem Posthaus zu Lichtenfels, wo ich mich mit ihr versprochen hatte, mit einer solchen Alteration verschont zu werden. Seitdem habe ich natürlich noch keine Nachricht von ihr. Ich kam desselbigen Tages noch bis Eger und am bey guter Zeit hier an, wo ich zwar bey meinem alten ehrlichen Büchsenmacher die Wohnung schon besetzt, dagegen eine andre bey Verwandten von ihm, die auch ganz gute und ehrliche Leute sind, bestellt fand, so daß ich denselben Abend schon ruhig und in Ordnung war und im eigenen Bette schlief. Und so befinde ich mich denn wieder an diesem wunderlichen Orte, dessen Wasser ich gleich mit wahrer Gier zu schlürfen begann, und der mir dießmal weit besser, als das erstemal gefällt, wahrscheinlich, weil ich schon in besserem Zustand hier angekommen, und natürlich heiterer bin, nach einem fast achtwöchentlichen Aufenthalte bey meinem lieben Bruder, der, wie die andern theuren Freunde und Verwandten, die ich durch ihn erhalten, alle Mittel, mich aufzuheitern, verschwendete. Auch der Himmel ist mir günstig, denn es scheint sich zu einem recht beständigen, schönen Wetter anzulassen, auch der kalte Nordwind weht schon etwas sanfter. Das Wasser scheint mir dießmal gleich anfangs besser anschlagen zu wollen, ohne daß ich erst wie im verfloßnen durch ein Purgatorium von höchst wiederwärtigen und krankhaften Empfindungen zu gehen brauche. Wenn ich nun vollends mit erwünschten Nachrichten von meiner lieben Frau und den Kindern erfreut werde, so bleibt mir weiter nichts zu wünschen, als daß es so fortgehen möge wie es angefangen hat. Von alten Bekannten habe ich bis jetzt wenige getroffen, wenn nicht manche erst nachkommen; dagegen wird es an neuen Bekanntschaften nicht fehlen! Meine Wohnung ist heiter, unter meinen Fenstern fließt die Töpel, springt der Strudel, wandelt morgens und Abends die Hälfte der hier versammelten Welt, gegenüber ganz nah die waldbewachsnen Berge, über denen die Felsen hervorragen. Ach, daß Du mit Deiner lieben Frau täglich nur ein Stündchen hier seyn könntest! Es würde Dir gewiß gefallen. Sorge doch auch für Deine Gesundheit und gehe wenigstens auf 8 Tage nach Göppingen und pflege Dich dort einmal recht gründlich. Auch wir haben Dir viel von Deiner gewohnten Ruhe und Gemächlichkeit geraubt; Du aber achtetest nichts, wie Deine liebe unermüdlich thätige, unerschöpflich gütige Frau.
Lebe recht wohl, empfiehl mich überall und grüße alle die lieben Unsrigen, besonders aber die geliebte Schwägerin auf’s herzlichste. Von Zeit zu Zeit will ich Dir schreiben, wie es mir ferner hier ergeht, ich lebe der besten Hoffnung und denke dießmal meine Gesundheit auf gründlichen Fuß zu setzen. Schreibe mir doch auch! Noch einmal leb wohl!
Dein tr˖[euer] Br˖[uder]
Fr.
Addresse im halben Monde auf dem Kirchenplatz.
Verzeih der Eile!