Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Liebster Carl!

Du wirst Dich wundern einen von fremder Hand geschriebenen Brief von mir zu erhalten; allein seit 10 Tagen liege ich in Folge einer Brustentzündung, in welcher ich binnen wenigen Tagen starke Blutverluste durch Aderlassen und Blutigel erlitten habe, darnieder, und brauche dem Arzte nicht zu sagen, wie mir unter gegenwärtigen Umständen zu Muthe ist.

Ich ersuche meine Frau, welche selbst sehr angegriffen ist, das Weitere Dir mitzutheilen.

So viel es in meinen Kräften steht will ich Ihnen das Nähere von meines guten Mannes Krankheit theilen, die die Ärzte schon am für gebrochen erklärten, ich selbst aber die ich Schelling unaufhörlich beobachtet habe, finde ihn noch immer sehr bedeutend krank, und habe die größte Sorge daß die großen Blutentziehungen nachtheilig auf seinen Kopf gewirkt haben da er durchaus noch keinen Schlaf hat und immer gegen Abend und die Nacht durch in Phantasien verfällt, derer sich bald bewußt bald nicht bewußt ist und die ihm unbeschreiblich quälen, dabey ist sein Puls Fieberfrey nur noch gereizt wie die Ärzte sagen. Er nimmt nicht die geringste Nahrung zu sich, nicht einmal Gerstenschleim kann ich ihn bewegen an zu nehmen, sein einziges Getränk, das er nicht ohne Widerwillen nimmt ist ein Haberwasser. Doch nun will ich Ihnen in Ordnung den Verlauf seiner Krankheit erzählen, so viel es meine innere Unruh und meine körperlichen Kräfte, die früher durch ein Chatarr Fieber, und dann durch eine fausse couche die ich den Tag von Schellings Krankheit machte und bey welcher ich mich natürlich auf keine weise schonen konnte sehr gelitten haben, es mir erlauben. ehe das Fieber bey Sch˖[elling] ausbrach klagte er Chatarr, der seinen Sitz in der Luft röhre hatte wie unser Arzt D Grossi befürchtete. Den 3ten Tag als den früh erwachte er mit Fieber, daß gleich so heftig wurde daß der Arzt den Abend eine Aderlasse unumgänglich nöthig fand. Die Nacht war sehr unruhig, beständiger Husten, Schmerzen auf der einen Seite und Beängstigung. Den andern Morgen wurde die Aderlasse wiederhohlt und 12 Blutigel an die Seite gesetzt, dann Überschläge drauf gelegt. Die Nacht war wieder sehr schlecht und der Athem sehr beschwert. Den wurde wieder früh zu Ader gelassen und abermals Blutigel gesetzt und den Abend fand Grossi eine fünfte Aderlasse nöthig. Die Nacht war wieder schlaflos aber doch fühlte er sich etwas erleichtert besonders was die Schmerzen auf der Seite bedraf. Den fand Grossi am Abend noch eine 6te Aderlasse nöthig weil der Puls noch immer unterdrückt wäre, jedesmal waren mehr als 10 Unzen gelassen worden. Meine Sorge und Angst hatte nun den höchsten Gipfel erreicht. Die Nacht ging abermals sehr unruhig vorüber, der Husten auch ganz grell und die Luftröhre wie Holz und er sprach sehr viel irre. Den Morgen des schien der Arzt gar nicht zufrieden, befahl eine Spanische Fliege auf die ganze Brust zu legen sprach von einer abermaligen Aderlasse; bat zu seiner Beruhigung noch den Leibarzt Hartz mit bringen zu dürfen. Ehe die Ärzte aber zusammenkamen fiel Sch˖[elling] in einen starken Schweis und Hartz fand alles in Ordnung und keine weitere Blutentziehung nöthig. Die Schweiße dauerten fort, die Brust wurde freyer, und am erklärten die Ärzte daß kein Fieber mehr vorhanden sey. Daß ist in der Kürze was ich Ihnen von der Krankheit melden kann, der Himmel gebe daß sie aus einem confußen Bericht klug werden, ich werde aber beständig durch Schellings Pflege am Schreiben unterbrochen und bin keines weges in einer Stimmung mich sammeln zu können. Ach wären sie doch gegenwärtig lieber Karl, wie tausend mal habe ich sie mit Thränen zu uns gewünscht! Heute ist der und seinen gegenwärtigen Zustand habe ich Ihnen schon oben beschrieben. Der Arzt der sich glaube ich gegen mich nicht aufrichtig äußert hat heute um den Kopf frey zu erhalten Senftpflaster auf