Herrn
Medicinal-Rath Dr. Schelling
in
fr˖[ey] Gr˖[änze]
bin ich zurückgekommen und fand Deinen Brief, liebster Karl. Nicht die in meiner Abwesenheit angehäuften Arbeiten, mehr die noch immer gehegte Hoffnung von Deiner freundlichen Einladung für diesen Gebrauch machen zu können, hielt mich bisher vom Antworten ab. Nachgerade aber muß ich diesen Gedanken aufgeben, 1) weil ich durch meine Badecur schon so viele Zeit verloren habe, 2) ich ebenso wohl in Sorge seyn würde, wenn ich die Kinder oder einen Theil derselben zurückließe als wenn ich sie mitnähme, da eine solche Differenz des Clima’s, als zwischen hier und Stuttg˖[art] stattfindet, besonders bey vorhandner epidemischer Constitution, bey reizbaren Kindern fast nothwendig Ausschlagskrankheiten hervorbringt, und namentlich unser kleinstes Kind sehr heftigen Anfällen wegen des Zahnens unterworfen ist und erst in der einen solchen kaum überstanden hat. Es würde freylich für meine und meiner Frau Gesundheit ein solcher Aufenthalt in Stuttg˖[art] sehr erwünscht seyn können, interessant würde mir auch der gegenwärtige Augenblick seyn, wo die alle Erwartungen übertreffende neue Verfassung in’s Leben tritt, allein gegen die Nothwendigkeit kann man nicht kämpfen und was das letzte betrifft, so bin ich, vollends seit dem unsrer guten Mutter, so abgeschnitten von Wirtemberg und erfahre so wenig von dem, was dort vorgeht, daß ich auch in Ansehung dieses Gegenstandes mich leicht mit den Zeitungen begnügen kann. Auch gestehe ich, daß es mir nun wieder schwer fallen könnte, mich aus einem so angenehmen Kreis loszureißen dem ich fast gar nicht mehr angehöre, da ich sehen kann, wie von der einen Seite alles geschehen ist, mich von ihm abzuhalten, während im entgegengesetzten Sinne keiner meiner Freunde thätig war. Auch ist es nicht unmöglich, daß sich bald auf andre Weise Gelegenheit findet, Dich zu sehen.
Der Gebrauch des Carlsbads war mir ungemein wohlthätig. Meine Leiden sind sehr gemindert, ich fühle mich seit vielen Jahren zum ersten mal wieder frey, und wenn die vollendete Überwindung meines eingewurzelten Übels theils schon ebendarum nicht möglich war, theils weil ich leider! die Cur dort nur 4 Wochen brauchen konnte, da ich meiner Frau wegen, noch 3 Wochen dem Franzensbad widmen mußte, so bin ich doch froh, zu wissen, daß Ein Mittel in der Welt ist, das mir entschieden helfen kann, und hoffe, bey einem im nächsten wiederholten Gebrauch, des Übels noch völlig Meister zu werden. Dieses Wasser ist vielleicht das größte Naturwunder, was in der Welt existirt, man möchte sagen, es sey Verstand in ihm, kein Arzt kann methodischer, stufenmäßiger zu Werk gehen und was das Geheimniß der Heilkunst sonst nicht konnte, müßte es durch Beobachtung der Wirkungsweise dieses Wassers erfahren.
Während meiner Abwesenheit wollte Prälat Griesinger mich besuchen, ich bedauerte sehr, daß ich ihn nicht geseh’n, bezeug’ ihm dieß, wenn Du ihn etwa siehst. Ist Georgii zurück? Du würdest mich sehr verbinden, wenn Du mir etwas über sein gegenwärtiges politisches Verhältniß besonders zu der neuen Verfassung schreiben könntest. Ich habe ihn so lange nicht geschrieben, daß ich jetzt ohne Veranlassung fast nicht wieder anknüpfen kann.
Meine Kinder gedeih’n recht wohl, besonders der älteste hat großen Eifer zum Lernen, und viele Anlagen. Übrigens sind sie so verschieden, daß ich fast sagen möchte, die 4 Temperamente sey’n unter sie vertheilt.
Grüße Deine liebe Frau und unsre liebe Schwester herzlichst von mir und meiner Frau, die sich Dir bestens empfiehlt, und leb’ recht wohl
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Fr.