Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

Hofmedicus und Medi

cinal-Rath

Dr. Schelling

in

Stuttgart.

fr˖[ey] Ulm

Liebster Karl!

Ich danke Dir herzlich für Deine Nachrichten, besonders aber für Deine und Deiner Frau so liebevolle Einladung. Ich gestehe Dir, daß ich noch schwanke, aber die Rücksicht auf meine Gesundheit und die eigenthümliche Stimmung in der ich mich befinde, wird mich doch am Ende für die böhmischen Thäler entscheiden. Dort werde ich als ein Unbekannter seyn können, wer mich dort aufsucht, thut es, weil er Interesse hat mich kennen zu lernen; in Cannstadt werde ich nicht vermeiden können, mich den gaffenden Gesichtern meiner übelwollenden Landsleute mich gegenüber zu befinden und überhaupt kann ich mir von meiner dortigen Einrichtung keine deutliche Vorstellung machen. Könntest Du mir denn, für meine Person wenigstens, eine kleine Wohnung in Berg oder Cannstadt ausmachen? Denn alle Tage hingeh’n um den Brunnen dort zu trinken vermöchte ich doch nicht. Könnt’ ich ein Wasser von Cannstadt oder Berg trinken und dabey einsam spazieren gehen? Ich tauge jetzt gar nicht unter die Menschen und bin am liebsten allein mit meiner Frau und Kindern. Sodann glaube ich, daß das Baden, nicht das Trinken die Hauptsache für mich ist. Aber das Cannstadter Wasser ist ja ganz seifenartig und würde eher dienen mich zu schwächen als zu stärken. Habe die Geduld mit mir, mir auf diese Fragen zu antworten, denn ich will mich nicht anders als, so viel ich es vermag, nach den besten Gründen entscheiden.

Ich bitte Dich, Herrn O[ber]R[egierungs]R˖[ath] von Wächter meinen verbindlichsten Dank zu bezuegen für die mit meinem Auftrag gehabte Bemühung. Ich bin alles vollkommen zufrieden. Heute ist die Taufe unsres kleinen Kindes, das bis jetzt so wie meine Frau ganz wohl ist. Ich bitte Dich noch, mir bald möglichst zu antworten.