München .
Du hast mir, lieber Bruder, eine höchst schmerzliche Botschaft gemeldet. Was ich mit unsrer guten Mutter verliere, kann ich nicht ausdrücken, mein ganzes Herz hieng an ihr, besonders seitdem ich so glücklich gewesen war, sie einige Zeit noch bey mir zu haben; der Gedanke an Sie war der aufrichtendste, den es für mich in der Welt gab. Gott lohne ihr reichlich, eine herrlichere, liebevollere Seele werden wir nie wieder sehen. Mich schmerzt, daß ich ihr so wenig seyn konnte, und besonders daß mir nicht vergönnt war, sie nur noch einmal zu sehen in diesem Leben. Doch tröste ich mich mit dem innigen Bewußtseyn, daß Sie mich zärtlich geliebt hat, und daß sie mir jetzt näher ist als im Leben; ich bin gewiß, daß sie mich nicht vergißt und auch dort für mich wirkt und thätig ist, wie sie es hier war, und die vereinigten Seelen unsrer Eltern unsre Schutzgeister seyn werden. Auch wie ich ihr danke und sie beweine wird ihr nicht verborgen seyn. Ich hatte keine Ahndung, als die allgemeine einer mir bevorstehenden Trauer, und daß ich seit 8 Tagen in meinen Träumen nur mit Abgeschiednen umgieng, selbst , da ich nach einer großen Ermüdung am Tage schlief; – sie freylich erinnere ich mich nicht, gesehen zu haben. Erhalte Du Dich jetzt für den kleinen Rest unsrer Familie – auf Dir ruht der Geist unsrer Eltern in vorzüglichem Maß, – halte sie zusammen, vereinige sie alle in der Liebe, die wir zu unsern Eltern getragen; ich muß mehr und mehr mich losreißen und mich als einen von meiner Familie Abgeschiednen betrachten lernen. –
In meinem Haus hat es Gott bis jetzt über all’ mein Hoffen gut gefügt. Wenige Tage vor der Entbindung meiner Frau erkrankten die beyden Knaben zugleich, am jüngeren trat zuerst der Ausschlag hervor, den der Arzt für die Masern erklärte, dann ließ er sie, wie gewöhnlich 3–4 Tage liegen ohne sie zu sehn, mittlerweile bekam der ältere denselben Ausschlag nachdem er ziemlich krank gewesen war – hintennach erklärte nun der Arzt, es sey’n nicht die Masern gewesen, was mich jedoch nicht überzeugt, denn so viel ich weiß können sie sehr verschieden verlaufen. Wenn aber diese Krankheit schlimmer wurde oder in das Wochenbett fiel, so war unser Ungemach sehr vermehrt. Nach diesem folgte die ungemein schnelle Entbindung meiner Frau, die ich morgens 1/2 7 Uhr verließ, um auf mein Zimmer in der Akademie zu geh’n, wohin ich um 9 1/2 Uhr schon die Botschaft erhielt, daß sie inzwischen ein Töchterchen glücklich geboren. Seitdem ist der Verlauf des Wochenbetts so regelmäßig und leicht, daß sie noch niemals sich so gut befunden hat und ich nur fürchte, es lauerte irgend eine Tücke im Hintergrund.
Auch die Freude wurde mir nicht mehr, die ich mir nicht groß genug denken konnte, meiner lieben Mutter die Kinder vorzustellen, den ältesten einen lieblich blühenden Knaben, der seine gute Gesundheit, vielleicht sein Leben ihrer Pflege und unermüdlich treuen Sorgfalt verdankt, den andern, dessen herrliches, tiefes, stilles Gemüth sie innig würde angezogen haben – auch die armen Kinder haben recht viel verloren, die gute Mutter, deren Namen sie immer im Munde führten, mit deren Bild sie alles Liebe und Gute verbanden, was ihre kindische Einbildungskraft fassen kann, nicht mehr gesehen zu haben; in meiner, jetzt älteren Tochter will Jedermann das leibhafte Bild unserer sel˖[igen] Mutter erblicken; Gott gebe, daß sie ihr an Geist und Gemüth eben so ähnlich werde.
Mit meiner Gesundheit hat es sich auch seit etwa 8 Tagen gebessert, besonders da ich, auf Walther’s Rath, angefangen, jeden Morgen einige Gläser Pyrmonter Wasser zu trinken. Walther meynt, ich solle auf 14 Tage nach Carlsbad, denn auf andre 14 Tage an den Franzensbrunnen in Eger, von dessen wunderähnlichen Wirkungen in Fällen, wie der meinige, ich schon viel gehört habe. Was hältst Du davon? Ich war bisher unschlüssig, ob ich in diese Bäder oder nach Stuttgart gehen sollte. Nun, wenn Du es nicht medicinisch mißbilligst, bin ich entschlossen. Es würde mir allzu wehe thun, die liebevolle Mutter nicht mehr zu finden, und dieß Glück so gleichsam um wenige Monate versäumt zu haben.
Lebe recht wohl, tröste Dich, und laß’ uns im Andenken der liebsten, theuersten Mutter noch inniger vereinigt bleiben. Grüße alle die Unsrigen auf’s Zärtlichste.
Dein
tr˖[euer] Br˖[uder]
Fr.