München den .
Du glaubst es mir wohl ohne meine Versicherung, geliebtester Bruder, daß ich den zärtlichsten Antheil nehme an der von Dir geschlossenen glücklichen Verbindung. Ich zweifle nicht, sie wird eine Quelle der Freude für Dich und unsre ganze Familie werden. Der liebe Vater wird sich verjüngen durch die Freude, auch dieses noch erlebt zu haben, die liebe Mutter aber wird ganz und gar glückselig seyn. Erhalte mir auch in dem neuen Verhältniß Deine volle brüderliche Liebe; entschuldige mich einstweilen bey Deiner Braut, daß ich ihr nicht schreibe und bey Dir selbst, daß ich nicht einmal nach Deinem Wunsch einen ostensibeln Brief an Dich richte; meine lange Abwesenheit von hier hat Geschäfte, hat Briefe, auf die Antwort dringend nöthig ist, so gehäuft, daß ich unmöglich jetzt einen wohl überlegten und in gut gesetzten Redensarten abgefaßten Brief, wie es sich doch wohl geziemte, schreiben kann.
Dein Brief vom zeigte mir, daß Ihr in ziemlicher Unkunde über mein seitheriges Thun gelebt habt, und keine Nachricht, auch nicht einmal von hier aus, zu Euch gedrungen ist. Es sollte mir nun recht lieb sein, wenn Du es noch nicht wüßtest und durch diese Zeilen zuerst erführest, daß ich seit verheyrathet bin. Wie es damit zugegangen und wie es gekommen, daß ich Dir und den lieben Eltern davon keine Nachricht zugebracht, will ich Dir kurz erzählen. – Also: kam ich, wie ich Dir zuvor gemeldet, mit der Gotterschen Familie im Bambergischen zusammen. Ich hatte zwey Rücksichten zu nehmen, erstens diese achtungswerthe Familie nicht zu compromittiren, zweytens so viel möglich Zeit (das Kostbarste, was ich jetzt habe) und Geld zu sparen. Aus jenem Grunde mußte ich den Zweck meiner Reise so viel möglich verbergen. In der andern Hinsicht mußte ich mit der Reise, welche über meinen Entschluß entscheiden sollte, im Fall, daß er für die Heirath ausfiele, suchen zugleich die Vollziehung des Entschlusses zu verknüpfen, um die 2malige Kostspielige Hin- und Herreise zu ersparen. Beydes gelang. Wenige Tage reichten hin, mich zu überzeugen, in Pauline G˖[otter] eine Frau ganz nach meinem Herzen zu finden. Ohnerachtet ich nun erst die Königliche Erlaubniß zu dieser Verbindung und Dispensation von der 3maligen Ausrufung von München aus verlangen mußte, so war doch alles hier so gut unterlegt, daß ich bereits am in Gotha getraut werden konnte. Am reiste ich bereits wieder ab.
Bevor die Sache gewiß war, wollte ich den Eltern, da sie im Allgemeinen davon wußten und die gute Mutter in ihrem mir nach Bamberg nachgeschickten Brief ihre vorläufige Einwilligung erklärt hatte, nichts davon melden, und dachte also aus Gotha zu schreiben. Aber da war nicht an zu denken. Ein solches Gedränge von Besuchen, die ich theils zu geben, theils zu empfangen hatte, hat mich noch nie bestürmt. Die ansehnliche Familie meiner Braut, die vielen freundschaftlichen Verhältnisse, in denen die Mutter lebt, das Aufsehen, das meine Anwesenheit zu solchem Zweck erregte, dieß alles brachte eine Bewegung hervor, die mich im wörtlichen Verstand keinen Augenblick finden ließ, den lieben Eltern oder Dir zu schreiben. Man hat mir in Gotha viel Ehre erwiesen, besonders der Gen˖[eral]-Superintendent Löffler, der den Vater kennt, auch bin ich mehrmals bey dem Prinzen Friedrich und beym Herzog gewesen. Wie ich nur eilte zurückzukommen, und binnen 4 Wochen mich verlobt, verheyrathet haben und wieder zurück seyn wollte, so hoffte ich den lieben Eltern von hier aus, noch ehe sie von irgend einer andern Seite etwas davon hörten, Nachricht zu geben. Jetzt aber kommt die Kehrseite; auf das Glück folgte Unglück; ich war schon einige Stunden von Bamberg und hoffte gewiß, bereits hier zu sein, als eine leichte Halsentzündung, die Folge einer tüchtigen auf der Altenburg geholten Durchnässung, unterwegs sich so verschlimmerte, daß ich gerathen fand nach Bamberg zurückzukehren und mich von Marcus curiren zu lassen. Leider hat dieser Unfall mich 14 Tage gekostet, während welcher mir theils unmöglich war zu schreiben, theils auch nicht gerathen schien, um nicht gerade das verdrießlichste zu melden. Am reiste ich aus Bamberg; in Nürnberg blieb ich einen Tag; am kam ich an; seitdem war soviel zu besorgen und zu thun, daß dieß der erste halb-ruhige Augenblick ist, da ich Dir schreiben kann; denn an die Eltern so wie es sich gebührt zu schreiben, habe ich bis jetzt wirklich noch keine Minute finden können.
Ich bitte Dich nun, bey den lieben Eltern mich so gut Du nur vermagst zu entschuldigen, und was größtentheils ohne meine Schuld gefehlt worden durch gehörige Erklärung wieder gutzumachen.
Du, und die lieben Eltern, auch die Schwester, werden vor allem begierig seyn, zu wissen, welche vorzügliche Eigenschaften mich zu einem so schnellen Entschluß bewegen konnten. Vom Äußeren anzufangen, ist es schwer Pauline zu beschreiben. Vielleicht hast Du noch ein Bild von ihr behalten, da Du sie mit mir einmal als Kind in Weimar gesehen. Sie ist 23 Jahr alt, groß, schlank; und sieht fast mehr einem Werk der Phantasie als einem Werk der Natur ähnlich. Ohne eine Schönheit zu seyn, hat sie eine ihr ganz eigne Holdseligkeit in den Mienen, ein liebliches Wesen, das ihr alle Herzen gewinnt. Sie ist zart und von leicht störbarer Gesundheit; aber durchaus frey von allen weiblichen Kränklichkeiten, hat gesunde Säfte, gute Farbe und eine unauslöschliche durch nichts zu störende Heiterkeit. In dieser Hinsicht glaube ich kannst Du Dich beruhigen, da ich den Freund Marcus mit auf die Brautschau nahm, der mir, nachdem er alles wohl erkundet, zu der Heyrath rieth und sich gleichsam für mein Glück als Arzt verbürgte. In der That hat sie sich bey dem nicht geringen Bamberger Unfall, den Ermüdungen der Reise in schlechte Witterung doch ziemlich aufrecht behalten, und ich hoffe, Baier’sche Luft, Kost und Bier wird ihr in Kurzem die volle Consistenz geben. – Was aber freylich über alles geht, ist ihr ganz vortreffliches, von jedem der sie kennt, dafür erkanntes Herz, und daß sie mich mit der reinsten innigsten Liebe liebt. Ich habe nie ein Herz gefunden, in welchem der allgemeine Same des Bösen so wenig Wurzel geschlagen; es ist kein böses Äderchen in ihr; sie ist ganz Huld, Liebe und Güte; und wie sie mich dadurch beglückt, so hoffe ich wird sie auch die Herzen andrer Menschen für sich gewinnen, was noch überall der Fall war und schon vorläufig bey den Personen der Fall ist, die sie hier von Gotha aus kennen. Hiezu kommt die größte Einstimmigkeit unsrer Denkart über das was zum wahren Lebensglück gehört, und daher auch über unsre Lebenseinrichtungen, in welchen ich mit Zuversicht hoffen darf, ganz meinem Geschmacke und meinen Neigungen, welche zugleich die ihrigen sind, folgen zu dürfen. Ihre häusliche Erziehung läßt mich auch auf eine gute Führung meiner Haushaltung hoffen.
Ihre Mutter, eine in jeder Hinsicht vortreffliche, sehr moralisch und religiös gesinnte Frau, hat das Beste an ihr gethan, wiewohl ich glaube, daß nach dem glücklichen Naturell alles nur darauf ankam, nichts an ihr zu verderben noch verderben zu lassen.
Die Mutter gab ihr von dem Vermögen, das sie besitzt und das sich nach unsrem Geld auf 22000 fl. belaufen mag, 2200 fl. zur Ausstattung, wofür sie reichlich in Kleidung, Wäsche, Betten etc. versehen worden, und ein kleines Capital übrig behalten, wovon sie die Interessen zieht.
Nach allen diesen Umständen hoffe ich, daß Du, daß die lieben Eltern, und alle Geschwister und Verwandte mir zu dieser Verbindung Glück wünschen werden, von der ich nach allen Anzeigen keinen Augenblick zweifle, daß sie durch den Himmel gestiftet worden, der uns beyde von Anbeginn für einander bestimmt hatte. Wenigstens weiß ich nicht, wo ich das Mädchen hätte auffinden wollen, das so in jeder Hinsicht für mich und für alle meine Umstände gepaßt, so viel Fähigkeiten gehabt hätte mich glücklich zu machen.
Wenn es mir, wie leicht ist, unmöglich fallen sollte, noch heute an Cotta zu schreiben, so entschuldige mich und theile ihm die Umstände meiner Verheyrathung mit, damit ich bey ihm mich kürzer fassen kann.
Hast Du Gelegenheit, so grüße auch Herrn von Wangenheim von mir und laß’ ihn etwas Näheres von meiner Verbindung wissen.
Leb’ wohl in dieser holden Rosenzeit Deines Bräutigamsstandes, der länger als der meinige zu dauren scheint. Könnte ich doch Zeuge Deiner Vermählung seyn! Wann wird sie denn vollzogen.
Grüße die lieben Eltern, die Schwester und den Schwager aufs zärtlichste von mir. Der erste ruhige Tag, nach geordneten Haushaltung, nach abgethanen Visiten, wird einem gehörigen Brief an die Eltern gewidmet werden, denen wie Dir und der Schwester Pauline sich aufs ehrerbietigste und zärtlichste empfielt. Sie wird nicht ermangeln, dieß schriftlich zu thun, sobald es die Umstände erlauben.
A Dio, carissimo.