Hochwohlgebohrner Freyherr,
Gnädiger Herr Staats-Minister!
Wenn ich wegen der ohnlängst durch Herrn Geh˖[eimen] Hofrath Eichstädt mir gewordenen Anträge unmittelbar an Ew. Excellenz zu schreiben mich erkühne: so mag diese Freyheit durch den nachfolgenden Inhalt meines Schreibens einigermaßen entschuldiget werden.
Nur Eurer Excellenz kann ich meine ganze Gesinnung über diesen Gegenstand mit ehrerbietiger Freymüthigkeit eröffnen.
Wenn meinem inneren Lehrtrieb eine bloße philosophische Lehrstelle genügte: so würde ich nicht zaudern, jenen Anträgen unbedingt beyzupflichten; es ist von Seiten der immer hochgesinnten Regierung auch in dieser Beziehung alles geschehen was möglich war und sich erwarten ließ.
Aber – in Verbindung mit Philosophie auch Theologie zu lehren, darinn erkenne ich meinen eigentlichsten inneren Beruf, ohne welchen auch dem glänzendsten äußeren zu folgen nur gewissenlos seyn würde. Dieser ist’s, der mich auf die Universität zurückführt; darin haben mich unabläßige in der Stille eines geschäftsfreyen Lebens, während fortgesetzte philosophische und historische Forschungen geleitet. So wenig ich gesonnen bin, je das Fundament aller höheren Untersuchungen, Philosophie, aufzugeben, so entschieden fühle ich, daß bloßes philosophisches Lehren weder meinen Geist auszufüllen, noch dem Trieb des Herzens, meinem Volk und Zeitalter wahrhaft – nützlich zu werden, vollkommen genügen kann.
Der Lehrer der Philosophie muß wohl, wenn er selbst nicht am Boden kriecht, die Schüler in’s Weite und Allgemeine führen; die Gefahren solches Lehrens sind bekannt: Hat und gibt er nicht ein Gegengewicht, so ist, in gewissem Sinn, der beste Lehrer der gefährlichste. Der flüchtige, mit Dr. Luther zu reden, hochfahrende, Geist muß an einen Stoff gebunden werden, durch den er sich verleiblicht, und in’s Menschliche gezogen, auch der gemeinen Menschheit wieder nützlich und förderlich wird.
Die Art, wie mit der Philosophie in andern Wissenschaften verfahren worden ist, macht vielleicht die Erklärung nicht überflüssig, daß ich keine bloße philosophische Dogmatik vortragen würde, sondern ein durchgängig gelehrtes, auf eigenthümlichen historischen und sprachlichen Forschungen beruhendes System der Theologie, das sich von der gewöhnlichen Dogmatik nur durch den größeren Umfang unterscheiden und durch die ihm unsichtbar zu Grunde liegende Philosophie einer entschiedenen Wirkung auf ganz Deutschland nicht verfehlen würde.
Eine Theologie solcher Art ist nicht bloß überhaupt an der Zeit, sie ist dringend gefordert. Die Herzen der Fürsten und Völker sind wieder umgekehrt, nur grade die Gottesgelehrten stehen noch zurück; denn das bloß frömmelnde Treiben, das weder mit Kenntnissen noch gründlicher Wissenschaft verbunden ist, kann für keinen Gewinn geachtet werden, und jene immer allgemeiner werdende Hinneignung zum Katholicismus bedroht die protestantische Kirche, die leider ihren Gegensatz mit diesem zu sehr verloren, mit einer inneren Auflösung. Eine auf ihre alte Strenge zurückgeführte protestantische Theologie ist möglich und die Mittel dazu sind vorhanden. Die Theologie, die weder mit den philosophischen noch historischen Forschungen unsrer Zeit gleichen Schritt gehalten, mußte für die Mehrzahl der besten Köpfe allmälig alles Interesse verlieren. Daher der täglich fühlbarer werdende Mangel an tüchtigen Gottesgelehrten.
Unter allen Universitäten Deutschlands ist Jena diejenige, von welcher diese verbesserte Theologie am wirksamsten ausgehen kann, wie diese Universität hinwiederum ihre alte Kraft nicht sicherer als durch Herstellung der alten Würde und wissenschaftlichen Strenge des theologischen Studiums wieder erlangen kann. Dadurch wird sie auf ihren ersten Grund zurückgeführt; darinn ruht der Segen Johann Friederich’s, der sie für eine freye deutsche Theologie ursprünglich gestiftet hat.
Verzeihen Eure Excellenz, daß ich so weit mich hinreißen lasse, allgemeine Gedanken hier entwickeln zu wollen, welche Eure Excellenz weit klarer denken; denn dieß war das Ausgezeichnete in den Schicksalen jener Universität, daß ihr in der Person Eurer Excellenz ein Führer zu theil geworden, der, der Zeit vorausgehend, immer vorgesehen, was für die Zukunft das Nothwendigste war.
Ich kehre zu meiner unmittelbaren Absicht zurück, welche diese war, Eurer Excellenz vorzustellen, daß ich den höchsten Grad von Nützlichkeit und Wirksamkeit für Jena nur dann erreichen zu können glaube, wenn mir neben der Haupt-Professur der Philosophie eine Neben-Stelle als theologischer Lehrer anvertraut werden wollte.
Obwohl die auf der Universität herrschende Freyheit auch dem bloßen Professori philosophiae unter gewissen Modificationen theologische Vorlesungen verstatten würde: so wünschte ich doch, um alle etwaige unangenehme Collisionen zu vermeiden, eine professionem theologiae ordin˖[ariam] honorariam durch ausdrückliche höchste Erklärung zu erhalten.
In diesem Fall vereinigt sich alles, mich mit der Hoffnung zu erfüllen, daß, unter dem Segen Gottes, dessen Hand ich schon in dem zum Theil so wunderbar, innerlich und äußerlich, zusammentreffenden Umständen zu erkennen meyne, meine dortige Wirkung der schönsten und besten Zeiten der Universität nicht unwürdig seyn würde.
So wie sich nun hiedurch die Sache gestaltet hat, zweifle ich nicht, daß die Regierung, welche dem bloßen Professori Logices et Meaphysices das nach allen Verhältnissen so grosmüthige Anerbieten eines Gehalts von Eintausend Rhn. gemacht hat, geneigt seyn könnte, für das was ich außerdem, in einem positiven Fach zu leisten erbötig bin, noch soviel beyzulegen, als nöthig seyn würde, mich in Bezug auf meine Familie zu beruhigen und das bedeutende Misverhältniß, das selbst dann noch gegen die äußern Vortheile meiner hiesigen Lage bleiben würde – auch gegenüber von der Welt, die inneren Beruf nicht kennt noch zu schätzen weiß – in etwas zu vermindern und mir diejenige vollkommne innere Geistes-Freyheit zu verschaffen, welche zu der Reinheit und Vollkommenheit der beabsichteten Wirkung erfordert wird.
Ohne übrigens ein Maß geben, oder abschließen zu wollen, begnüge ich mich zu versichern, daß, wenn 1500 Rh. mir bewilliget würden, keine auch noch so große Anerbietung mich zurückhalten könnte, und ich dem Ruf unbedingt folgen würde, entschlossen, mein ganzes Leben mit treuer, frommer Gesinnung dem geliebten Jena und dem Dienst des Fürsten zu weihen, dem stets meine innerlichste, höchste Verehrung und Ergebenheit gewidmet war.
Wegen der andern Neben-Bestimmungen werde ich an Herrn Geh˖[eimen] Hofrath Eichstädt schreiben, durch welchen ohnedieß Eure Excellenz geruhen werden, mir Ihre Willensmeynung zu eröffnen.
Mit unbedingtem Zutrauen stelle ich alles dem hohen Ermessen Eurer Excellenz um so ruhiger anheim, als ich gewiß bin, daß eine höhere Sache, als die bloß die meinige wäre, hierunter verhandelt wird, als ich der Lauterkeit meines Entschlusses versichert bin und kein Leichtsinn sondern innerer Trieb, feste Überzeugung, auf diese Art meinem Zeitalter und Vaterland am wesentlichsten nützen zu können, alle meine Schritte geleitet.
Genehmigen Eure Excellenz die Versicherung derjenigen tiefsten Verehrung, mit welcher ich zu verharren die Ehre habe
Eurer Excellenz
unterthäniger Diener
Schelling.
München den .