Schelling Nachlass-Edition

Aufs gehorsamste bitte ich um Verzeihung, wenn ich, durchaus unbekannter Weise, es wage: mich mit einer, im ersten Augenblicke vielleicht sehr sonderbar klingenden Bitte durch gegenwärtige Zeilen an Sie zu wenden. Ein unnennbar mächtiger Drang nach einem, mit wahrhafter Unbefangenheit, ruhigem und gründlichen Studium Ihrer Philosophie, leider bisher durchaus gänzliche Armuth, und ein außerordentlich großes, und gewiß nicht falsches Zutraun auf Ihre Güte, sind die Gründe, welche mich bestimmten: Sie hiemit um ein Ihnen vielleicht entbehrliches überkompletes Exemplar Ihrer sämmtlichen Werke gehorsamst zu bitten. Zur Entschuldigung dieser so großen Bitte kann ich Nichts als meine bereits angeführten Bewegungsgründe derselben anführen, kann aber die aufrichtige Versicherung beifügen, daß es mein brennendster Wunsch ist: Ihnen baldmöglichst, wenn auch nur durch einen geringen Beweis darthun zu können, daß ich als vielleicht in keiner Hinsicht Unwürdiger, wenigstens gewiß als kein Undankbarer Ihre gütige Mildthätigkeit in Anspruch zu nehmen wagte. Der erste Theil Ihrer »Ideen zu einer Philos˖[ophie] der Natur« ist das Einzige, welches mir meine, in der That traurigen Vermögensumstände anschaffen zu können erlaubt haben, und welches ich jetzt mit rastlosem Eifer studiere. Zu meiner einstweiligen Legitimation erlauben Sie mir hier nur zu bemerken, daß ich aus Braunschweig gebürtig, seit 1822 in Göttingen Philosophie, ganz besonders Chemie und Physik studierte, und seit letztvergangne Ostern aber in Heidelberg bin, um hier pro summis in philosophia honoribus, und späterhin auch pro facult˖[ate] legendi zu disputiren. Uebrigens schmeichle ich mir mit der so sehr angenehmen Hoffnung: im Laufe dieses Sommers die ausgezeichnete Ehre zu haben Ew. Hochwohlgeboren persönlich kennen zu lernen – wonach ich so sehr mich sehne.