Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Hochwohlgeborner,
Hochgeehrtester Herr Director!

Längst war es mein Vorsatz, Ihnen, mein hochverehrter Lehrer und Freund, zu schreiben, um Ihnen für Ihre so gütige Empfehlung an Doctor Malfatti zu danken, dessen Bekanntschaft mir sehr angenehm und werth ist, und bei dem ich auch die von Fr. Schlegel machte; welche Beide sich vielfach um Sie erkundigten, und sich Ihnen empfehlen lassen. Wenn es indeß im Anfange unseres hiesigen Aufenthaltes die mancherlei Besuche, Repräsentationen aller Art und Geschäfte waren, was mich an der Ausführung meines Vorsatzes hinderte, so trug später ein noch unangenehmerer Umstand die Schuld; eine schon mehrere Jahre fortdauernde Schwäche des Magens und der Eingeweide des Unterleibs, die mir schon einige Male kleinere Unpäßlichkeiten verursacht, ward hier zur eigentlichen Krankheit, die mich sehr hart mitnahm, und deren Uebergang in ein Schleimfieber der Arzt befürchtete. Nachdem ich 5 Wocchen lang recht krank gewesen, befinde ich mich nun auf dem Wege der Besserung, habe aber doch bis auf diesen Augenblick das Zimmer nicht verlassen.

Leider! mußte ich erfahren, daß auch Sie, mein verehrter Lehrer und Freund, krank seyen; vernahm jedoch bald darauf, daß Sie sich wieder besser befänden: eine Nachricht, die mir eben so viele Freude als die erste Besorgniß verursachte.

Wie nun mein Krankseyn mich überhaupt am Schreiben verhindert, so hat es mir auch nicht gestattet, Ihnen zu der erfreulichen Wiederkehr Ihres , meine herzlichen, beßten Wünsche darzubringen. Aber obwohl krank danieder liegend, hab’ ich doch in der Stille freudig den schönen, theuern Tag gefeiert, den Deutschland einen seiner ersten Denker und mir mein hochverehrter Lehrer geschenkt, dem ich so Vieles, so Unschätzbares verdanke. Lassen Sie mich Ihnen auch jetzt noch, wo ich es zuerst wieder vermag, die Aeusserung dieses innigen, unvergänglichen Dankgefühles so wie die Versicherung unwandelbarer Anhänglichkeit, Ergebenheit und Verehrung zugleich mit meinen Wünschen für Ihr Wohl darbringen, und lassen Sie mich zugleich den weiteren lebhaften Wunsch beifügen, daß ich recht bald die Freude erleben möge, meinen so hochverehrten Lehrer wieder wie einst durch Schrift und Wort, auf seine Umgebung wie auf unser Vaterland und unsere Zeitgenossen thätig einwirken, und jene bedeutend in Gesinnung und Leben eingreifende Stelle wieder einnehmen zu sehen, die ihm vor Allen gebührt, und zu der die Zeit immer größeren Beruf mir darzubieten scheint! Ich weiß, Sie nehmen mir die Aeusserung dieses lange gehegten Wunsches nicht übel, und sehen darin nur einen Beweis meiner Ergebenheit für Sie, deren freundliche Aufnahme bei der Kenntniß Ihrer gütigen Gesinnungen gegen mich, ich hoffen zu dürfen mir schmeichle.

Und so bitte ich Sie, mein hochverehrter Lehrer und Freund, nur noch, mir diese unschätzbaren gütigen Gesinnungen fortwährend zu erhalten, und den Heimkehrenden mit derselben Freundschaft zu empfangen, wie Sie ihn entlassen.

Uebrigens wird diese Heimkehr nach München sobald noch nicht, wohl nicht vor erfolgen. Da die Geschäfte sich sehr in die Länge ziehen. Schon aus dieser guten, ächtdeutschen Eigenschaft können Sie schließen, daß das Resultat nicht grell, nicht gefährlich seyn wird. Der Fieberanfall von Karlsbad ist vorüber, wo ein Zusammenfluß von Umständen Verworrenheit und ängstliche Heftigkeit bewirkt hatte. Verhältnisse und Menschen haben sich seitdem geändert, und die alte deutsche Geschäftsnatur mit ihrem Schlimmen und Guten behauptet ihr Recht wieder. Und dieses Gute ist wohl allem dießmal gut gewesen, sollte es auch vielleicht an und für sich ein Uebel seyn.

Zum Schlusse bitte ich Sie noch, mich Ihrer verehrten Frau Gemahlin, wie auch Frau von Köhler beßtens zu empfehlen, und die wiederholte Versicherung jener hohen Verehrung und innigen Ergebenheit zu genehmigen, womit ich stets verharre
Euer Hochwohlgeboren
gehorsamster

Karl von Oberkamp