Es ist wahrlich kaum zu verzeihen, liebste, beste Mamma, daß wir alle so lange Zeit ganz das Schreiben vergassen. Wüßten Sie aber, wie mir besonders ein Tag nach dem andern unter Arbeiten und andrem Gedräng hinweggekommen, so würden Sie eher mich bedauren als mich anklagen. Ich meyne immer, ich müste recht freyen Geistes und Herzens seyn, wenn ich an Sie schreibe, und das kann ich jetzt so selten seyn, da mir soviel auf der Seele liegt. Ich bitte Sie nur bey diesem langen Stillschweigen immer überzeugt zu seyn, daß die Ursache davon weder in Kaltsinn noch in irgend einem Unfall liegt. Es ist Gott sey dank bey uns alles recht wohl auf, auch ich befinde mich besser wie vor mehreren Jahren. Was sonst von unsrem Leben zu schreiben ist, muß ich meiner Frau überlassen, da meine Zeit auch heute wieder so kurz abgemessen ist. Daß wir diesen Sie in Stuttg˖[art] besuchen können, daran ist vieler Umstände wegen nicht zu denken. Eher sollten Sie Sich entschließen, mit einer guten Gelegenheit, etwa mit Breyers zu uns zu kommen! Ich bin überzeugt, Sie würden sich dießmal besser bey uns gefallen als das erstemal seyn konnte. Wir wollen hoffen, daß auf die Reihe schlechter auch eine Reihe guter Jahre folge, und, wenn wir den nicht mitgenießen, der und uns darum nicht entgehen soll. Da Sie fragen, ob ich Briefe von Herrn Gros und Ihnen erhalten habe, so muß ich bemerken, daß ich zwar von Ihnen – durch die Post – aber niemals einen Brief von oder durch Herrn Gros erhalten habe. Vielleicht hat er die Briefe an jemand eingeschlossen; es wäre mir leid, wenn Briefe von Ihnen in unrechte Hände gekommen wären. Mit dem Einschließen ist es eine böse Sache; die Kaufleute sind hier sehr ungefällig und kennen mich auch nicht. – Ich weiß wahrhaftig nicht, ob ich Ihnen auch nur für das schöne geschickte Halstuch gedankt habe, das Sie mir noch geschickt haben. Es war und ist mir gewiß ein recht werthes Geschenk, aber Sie sollten doch endlich aufhören mich so ganz unverdienter Maßen so mit Güte zu überhäufen. Wie soll, wie kann ich’s Ihnen vergelten? Aber Sie fahren immer fort, und haben, auch jetzt wieder zu unserer größter Beschämung uns ein Geschenk gemacht. So innig mich jeder Beweis Ihres mütterlichen Andenkens freut, so inständig bitte ich Sie doch, liebste Mamma, Ihre ohnehin zu geringen Einkünfte ja besser zu Rath zu halten und nicht noch für uns zu schmälern; es macht mir jedesmal eine schmerzliche Empfindung, zumal wenn ich dabey denke, wie wenig ich für Sie und die lieben Meinigen habe thun können und thun kann.
Sie werden nach den Actenstücken von hier, die Sie in den Zeitungen gelesen haben werden, auch Wunder gemeynt haben, was hier vorgefallen sey. Aber es ist wirklich an diesem, wie es scheint ganz unnöthigen, Lärm, den unsre Polizey gemacht hat, gar nichts. Man wird vielleicht der späten erschienenen Erklärung keinen Glauben beymessen; allein Sie können überall versichern, daß es sich wirklich so verhält, wie man jetzt leider erst hintennach in die Zeitungen gesagt hat, nämlich daß auch nicht eine Spur von Unruhen hier gewesen ist. Es geschieht auch übrigens alles mögliche, die Noth zu steuren.
Meine Frau hat dießmal gute gehabt, indem ich eben am von unsrem guten König die lang versprochne Zulage erhalten habe, wodurch ich nun auf 3300 fl. zu stehen komme und um vieles leichter leben kann.
Der Himmel erhalte Sie gesund und heiter, mit allen den Unsrigen. Die herzlichsten Grüße an meine liebe Schwester! Auch Herrn Min˖[ister] von Vellnagel bitte mich ganz gehors˖[amst] zu empfehlen; unstreitig habe ich Seiner gütigen Vermittlung das äußerst gnädige Antwortschreiben des Königs zu danken.
Ich bin und bleibe mit innigster Zärtlichkeit und Verehrung
Ihr
treu gehors˖[amster]
Fr.
Verzeihen Sie doch die unmäßige Eilfertigkeit. – Hat Ihnen Herr Cotta die 50 fl. geschickt, um die ich ihn ersucht? Es gehört auch zu meinen Unterlassungssünden vom her. Nun bitte ich Sie, dieß gleich für das vorige und für dieses Jahr zu nehmen.