Sr. Wohlgebohrn
Herrn Finanz-Secretarius
Groß
in
fr˖[ey]
Ich beeile mich, liebste, beste Mamma, Ihnen nur mit zwey Worten zu schreiben, daß wir Ihre reichliche Bescherung noch an demselben Tag’ erhielten, an welchem ich Ihnen geschrieben hatte. Die leidigen Umstände mit der Mauth verspäten den Empfang aller mit dem Postwagen ankommenden Sachen. Ohne das Gedräng von Arbeiten, in dem ich bin, und ohne eine Unbäßlichkeit meiner Frau, die zwar unbedeutend aber doch hindernd war, hätte sie oder ich Ihnen längst den Empfang gemeldet und auf’s Innigste gedankt. Sie haben uns eben wieder beschämt; Ihre Güte ist unermüdlich und unerschöpflich. So sehr es uns freut, Beweise derselben zu erhalten, so müssen wir doch wünschen, daß sie nicht so alles Maß übersteigen, wie es Ihre Geschenke gewöhnlich thun und auch dieses Jahr gethan haben. Womit sollen wir Ihnen vergelten, beste Mamma? Wir sind ganz außer Stande, einigermaßen Ihnen zu ersetzen, wessen Sie sich selbst berauben, um uns und Ihren Enkeln Freude zu machen. Könnten diese wenigstens Ihnen dafür die Hände küssen, oder Sie oft in trüben Stunden erheitern! Gott sey dank, daß es mit unsrem lieben Schwager doch noch die erträgliche Wendung genommen; wir hoffen sicher auf seine völlige Wiedergenesung und werden es als ein Fest betrachten, wenn wir derselben versichert sind. Vor dem freylich wird er kaum seine Kräfte wiedergewinnen; bis dahin soll er nur sich schonen und ein völlig ruhiges Pflanzenleben führen, um so mehr da die Witterung hartnäckig bey dem ungesunden Wechsel bleibt. Auch hier sind diesen die Entzündungen so zahlreich als gefährlich.
Ich glaube, daß Karl in seiner Ansicht nicht Unrecht hat; es ist auch die meinige. Nur bitte ich ihn, sich gegen W˖[angenheim] doch etwas Gewalt anzuthun und eine freundliche Berührung nicht zu vermeiden. Das Gute kann nicht immer durch die besten Mittel geschehn; wenn es nur keine schlechte sind.
Aus dem Reichthum guter Sachen, die Sie uns geschickt haben, soll man schließen, Korn und Mehl sey’n in Wirtemberg im Überfluß. Niemand würde an eine Theurung glauben, der die vielen Lebkuchen und Springerle sieht. Herr Onkel Prälat ist jetzt wohl in Denkendorf, und wird auch vor dem nicht zurückkommen? Karl und seine Frau werden doch an den langen Landtag denken.
Jetzt erzählt man allgemein hier, es solle die Karls-Akademie in Stuttgart wieder hergestellt werden. Ich gestehe, daß diese Idee mir weit besser gefällt, als eine Akademie der Wissenschaften oder der Künste für sich. Ein Institut, wie jene, könnte für Wirtemberg große und nützliche Folgen haben. Die Akademie der Wissenschaften und Künste hätte man noch oben ein. Bitten Sie doch Karl mir bald zu schreiben und unter anderm auch was an dieser Sache ist.
Nun, beste, liebste Mamma, leben Sie recht wohl! Gott stärke Sie bey allem häuslichen Ungemach und erhalte Ihre uns so theure Gesundheit. Von meiner Frau die zärtlichsten Empf˖[ehlungen] und den innigsten Dank an Sie! Von uns beyden alles Liebe und Gute an sämmtliche Unsrige.
Ich bin mit höchster Dankbarkeit und Zärtlichkeit
Ihr
treugehors˖[amster] S˖[ohn]
Fr.