Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Gegen Euer Wohlgebohren stehe ich in sehr alter Schuld; die für die k˖[önigliche] Akademie der bildenden Künste überschickte Schrift über die achteckige Form altchristlicher Tempel ist derselben von mir übergeben auch von ihr mit Antheil aufgenommen worden, allein da diese Gesellschaft ganz aus ausübenden Künstlern besteht, welche, wie die meisten ihrer Kunst- und Geistesverwandten, an Untersuchungen von Alterthümern und Erforschung tieferer Beziehungen derselben keinen unmittelbaren Theil nehmen, so war es nicht möglich, Ihnen von Seiten der Akademie irgend eine auf Beurtheilung der Sache selbst eingehende Bemerkung mitzutheilen und auch jetzt muß ich mich begnügen, Sie des lebhaften Danks der Akademie für diese Sendung im Allgemeinen zu versichern. Was mich betrift, so glauben Sie mir wohl, daß ich zwischen Ihrer Entdeckung jener Grundform und jenem andern aus hohem Alterthum Überlieferten einen merkwürdigen Zusammenhang ahnden kann; dieß ist aber auch alles, was ich für den Augenblick darüber zu äussern vermag. Nicht geringeren Dank weiß ich Ihnen für die Mittheilung Ihres Aufsatzes über das in Oberschleßien gefundene Bild des Gottes Tyr. Vielleicht wäre ich im Stande, zu einzelnen Ihrer Bemerkungen einige dieselben theils noch mehr motivirende theils aber auch modifizirende Beyträge zu geben, allein es würde unmöglich seyn meine Ansichten getrennt von dem Zusammenhang des Ganzen, aus welchen sie hervorgehen, so viel Glaublichkeit zu verschaffen, als nöthig wäre um Ihre Aufmerksamkeit zu erregen.

Die bestimmtere Absicht des gegenwärtigen Schreibens ist, Ihnen das anliegende Programm unserer philologisch-philosophischen Classe zu überschicken. Wir haben den schon im Jahr auf eine Geschichte der deutschen Litteratur des sechszehnten Jahrhunderts gesetzten Preis mit Verdoppelung wiederholt, ohne uns durch den Erfolg der ersten Preissetzung, die gar keine Beantwortung zur Folge hatte, abschrecken zu lassen. Wenn ich selbst auf diese Wiederholung bestimmt angetragen habe, so geschah es vornämlich in der Hoffnung, daß Männer wie Sie bei ansehnlicheren Bedingungen und Zugestehung der gehörigen Zeit sich diesem vaterländischen Werk unterziehen könnten. Ich ersuche Sie recht sehr, diese Aufgabe in’s Auge zu fassen und zuvörderst wo möglich selbst deren Auflößung zu unternehmen, im Fall aber, daß aus was immer für Gründen dieses unmöglich wäre, wenigstens andere in Ihrer weit ausgebreiteten Bekanntschaft zu diesem hochverdienstlichen Werk zu ermuntern

Fahren Sie muthig fort in den Arbeiten zur Enthüllung altdeutscher Trefflichkeit in Poësie, Kunst und Leben und seyn Sie der wahresten Hochachtung versichert mit der ich stets seyn werde
Euer Wohlgebohren
ergebenster

Schelling.