München den .
Der Auftrag der Königlichen Akademie der bildenden Künste, das anliegende Diplom an Sie zu übersenden, gibt mir die angenehmste Veranlassung, Ihnen zu schreiben. Nach Ihrem gütigen Urtheil über Geist und Bestreben unserer Anstalt dürfen wir vielleicht annehmen, daß diese aus der reinsten Anerkennung Ihrer Verdienste hervorgegangene öffentliche Achtungsbezeugung nicht ganz Werthlos für Sie seyn werde. Vielleicht ist sie Ihnen ein Beweggrund mehr, dieser nach Tüchtigkeit im Allgemeinen und nach lebendiger Eigenthümlichkeit im Besondern strebenden Anstalt ferner einige Theilnahme zu schenken.
Wir alle hatten uns geschmeichelt, Sie auf der Reise nach Frankfurt hier zu sehen. Meinen Wunsch, mit Ihnen über die großen geistigen Angelegenheiten, die uns gemeinsam beschäftigen, wieder in einige nähere und innigere Wechselwirkung zu treten, hatten Ihre freundlich entgegenkommenden Aufforderungen nur erhöhen können. Indeß hatten Zeit, LebensWege und Richtungen uns so weit auseinandergeführt, daß mündliche Unterredung wohl das einzige Mittel blieb, den Punct zu finden, wo wir anfangen, wo gegenseitig wieder anknüpfen konnten. Nun muß ich erwarten, ob ein günstiges Geschick uns einmal zusammenführen wird, oder ob eine umfassendere wissenschaftliche Arbeit, mit der ich mich seit mehreren Jahren beschäftiget, vielleicht ein Mittel werden kann uns wieder zu finden. Möge die beyliegende kleine Arbeit Ihnen einstweilen wenigstens zeigen, wie ich in wissenschaftlichen und geschichtlichen Forschungen mehr und mehr aus dem Allgemeinen in’s Einzelne zu gehen suche.
Ich bitte Sie, mich in geneigtem Andenken zu behalten und von der aufrichtigsten Hochachtung überzeugt zu seyn, mit der ich verharre
Ihr
ergebenster
Schelling.
N.S.
Durch eine Nachricht von dem gegenwärtigen Aufenthalt Ihres Herrn Bruders würden Sie mich sehr verpflichten.