Durchlauchtigster Kron-Prinz,
Gnädigster Fürst und Herr!
Eurer Koeniglichen Hoheit gnädigstes Handschreiben vom hatte ich das Glück, zu erhalten, und ermangele nicht, dasselbe sogleich unterthänigst zu beantworten.
Eine Darstellung der Einrichtung, Verfassung, zumal aber der Unterrichtsart und des waltenden Geistes unserer Kunst-Akademie gehört schon längere Zeit unter meine literarischen Vorsätze. Zeuge dieses Vorsatzes ist unter anderen Prof. Langer, dem ich vor wenigen Wochen denselben mit dem Ersuchen mittheilte, vorläufig für eine Beschreibung des Locals und ein (schon längst Bedürfniß gewesenes) Verzeichniß der Abgüsse-Sammlung zu sorgen; Arbeiten, an die ich meine Zeit nicht setzen zu müssen glaubte.
Wie Eure Koenigliche Hoheit HöchstSelbst bemerken, so würde sich die Bedeutung unserer Akademie und der von ihr genommenen Richtung nicht einleuchtend genug ohne den geschichtlichen Zusammenhang darstellen lassen – nicht, ohne wenigstens bis zum dreyßigjährigen Krieg zurückzugehen, und den von da unaufhaltsamen Verfall und endlichen Verderb durch Einbruch des französischen Wesens zu zeigen; dann die Wirkung von Winckelmann und Mengs, der durch Lehre und Beyspiel die Geister aufgerichtet, doch zugleich wieder beschränkt und misleitet, zu letzt selbst Goethe’s anregende aber nicht durchgreifende Bemühungen zu erwähnen.
Eine Arbeit dieser Art fordert nicht allein Zeit, sie verlangt einen, für den Augenblick wenigstens, anderweitig nicht beschäftigten Geist, der sich ihr, wo nicht ein Jahr, doch eine Anzahl Monate, ausschließlich widmen kann.
Wollte man, sich von dieser Forderung lossprechend, die Arbeit leichter nehmen, so würde auch das verdienteste Lob wie andre Posaunen-Stöße verhallen und ohne bleibende Wirkung vorübergehen. Ein Solches liegt nicht in den Absichten Eurer Koeniglichen Hoheit.
Diese Arbeit also, wie sie des Gegenstandes allein würdig wäre, kann bis zur nächsten Kunstausstellung – kann selbst einige Zeit nach derselben nicht vollendet seyn.
Wenn ich nun diesem beyfüge, daß ich überhaupt im gegenwärtigen Augenblick zu einer solchen Arbeit mich nicht im Stande fühle, so werden Eure Koenigliche Hoheit, nach Anhörung der Ursachen, die Äußerung um so weniger ungnädig beurtheilen, als Höchstdenenselben mein Diensteifer im Allgemeinen nicht unbemerkt geblieben seyn kann, den ich noch kürzlich, bey Gelegenheit der äginetischen Figuren-Beschreibung, mit Zurücksetzung aller mir am Herzen liegenden Arbeiten, zu bethätigen suchte.
Seit beschäftiget mich ein Werk, von dessen Inhalt und Gegenstand ich schweige, aber von dem ich sagen darf, daß es die Zeit von mir fordere. Ohne die innere Stimme zu hören, muß ich dieß schließen aus den lauten und stillen Aufforderungen und Anmahnungen so Mancher, die meiner noch in Deutschland gedenken. Es steht nicht in meiner Willkühr, eines mit mir Eins gewordenen Werkes mich zu entschlagen und etwas anderes vorzunehmen. Eure Koenigliche Hoheit wollen dieß nicht, die etwas Ganzes und Tüchtiges erwarten, so ein ungetheiltes Gemüth und völlig freyen Geist verlangt. Eure Koenigliche Hoheit fordern es nicht, die mich selbst im so huldvoll zu erinnern geruheten, mein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, und, selbst meine Verpflichtung gegen die Zeit und das unmittelbare Vaterland zum Standpunct nehmend, nicht verkennen, daß in der so ernsthaften Gegenwart, wo Verwirrung stets aus Verwirrung entspringt, durch wissenschaftliche, auf den Grund und Mittelpunct des Lebens gehende, Untersuchung eine dringendere Schuld bezahlt wird, als durch ein Werk über eine an sich vortreffliche, aber die allgemeine Bildung des Volks doch nur an ihren Gränzen berührende Anstalt.
Hiemit will ich meinen Beruf zu einer Darstellung des Wesens und Geistes unserer Akademie durchaus nicht ablehnen, nur Frist erbitten, um bey günstigerer Stimmung, und freyerer Muße durch ein lebendigeres und eingreifenderes Werk meine Schuld gegen die Akademie der Künste auf Einmal und vollkommen zu berichtigen, ohne daß darum in der Sache etwas versäumt werden soll. Denn daß andere Anstalten uns zuvorkommen, glaube ich nicht fürchten zu dürfen, weil keine Regierung der Welt für irgend eine vorhandne oder werdende Anstalt das thun wird oder kann, was für die Akademie der Künste von Seiner Majestaet, unsren Allergnädigsten König und auch von Eurer Koeniglichen Hoheit geschehen ist.
Der Höchsteignen Beurtheilung Eurer Koeniglichen Hoheit sey also nun anheimgegeben, ob ich eine siebenjährige, eben die letzte Feuer-Probe bestehende, Arbeit unterbrechen und die andere vornehmen, oder jene zu End bringen, hernach dieser mit ganzer Seele mich widmen soll.
Höchstderoselben gnädigste Willens-Äußerung deßfalls gewärtigend, ersterbe ich in tiefster Erhfurcht
Eurer Koeniglichen Hoheit
unterthänigst-gehorsamster
Schelling
München den .