Durchlauchtigster Kronprinz,
Gnädigster Fürst und Herr!
Im Bewußtseyn meiner geringen – oder vielmehr meiner gänzlichen Nicht-Berechtigung zu solcher Kühnheit, habe ich noch niemals gewagt, Eure Koenigliche Hoheit um einen Erweis von Gnade für irgend ein Individuum bittlich anzugehen.
Gegenwärtig bietet sich mir ein Fall dar, wo ich zu fehlen glauben würde, wenn ich nicht Eure Koenigliche Hoheit wenigstens davon in Kenntniß zu setzen mir die ehrfurchtsvolle Freyheit nähme.
Der junge Graf von Platen aus Anspach gebürtig, dessen erste dichterische Versuche HöchstDenselben gewiß nicht entgangen sind, seit dem Befreyungskrieg Leutnant des 1sten Regiments in München, befindet sich seit mehrern Jahren mit Urlaub hier, ganz der Ausbildung seines Talents und der Erwerbung jener tieferen Natur- und Welt-Kenntnisse lebend, die dem Dichter als Grundlage und Stoff nothwendig sind.
Vorzüglich hat sich derselbe dem Studium der Persischen Sprache und Literatur mit einem Fleiß und einem Erfolg gewidmet, daß ich zweifle, ob gegenwärtig im ganzen Umfang des Königreichs ein ihm hierinn gleichkommender Kenner sich finde.
In Folge einer allgemeinen Verordnung zurückgerufen, hat er auf ein nochmaliges Ansuchen um Verlängerung seines Urlaubs abschlägige Antwort in einem Augenblicke erhalten, wo seine leidende Gesundheit ihm den Wiedereintritt in den Dienst ohnedieß unmöglich macht.
Eine Befreyung auf einige Wochen wird ihm auf sein deßhalb gestelltes Ansuchen wohl nicht verweigert werden können, aber ein verlängter Urlaub, dessen er bedarf, soll er nicht ganz in seiner Bildung und Entwicklung gehemmt werden, wird, einmal versagt, ohne höheren Schutz nicht gewährt werden.
Ein Wort – eine Zeile von Eurer Königlichen Hoheit Hand unterzeichnet – an ein Haupt der Armee gerichtet, würde hinreichen, diesen verlängerten Urlaub auf ein Jahr für ihn zu bewirken.
Auch ein Wort – ein bloßer Handzug Eurer Koeniglichen Hoheit darf nur in einem vorzüglich würdigen Falle erbeten werden.
Gnädigster Herr, ich wage es zu sagen, Eure Koenigliche Hoheit würden im gegenwärtigen Fall HöchstIhre Verwendung einem Talente angedeihen lassen, dessen in der Folge Sie Selbst, dessen das ganze Vaterland, dessen wir alle uns erfreuen werden!
Es ist ein vaterländisches Talent, von der zartesten Art, eben im Aufgeh’n begriffen, dem nur eine milde Sonne fehlt; selbst vom Altvater Goethe (dem mit Lob Sparsamen) öffentlich, entschieden anerkannt, und würdig, von Eurer Koeniglichen Hoheit nicht nur im gegenwärtigen Fall, sondern überhaupt beachtet, und in gnädigen, huldvollen Schutz genommen zu werden.
Ich wage es, Eure Koenigliche Hoheit um diesen Schutz für jetzt und für die Zukunft zu bitten – nicht aus persönlicher Vorneigung – obwohl die schöne Naturgabe mit liebenswürdiger Bescheidenheit, der Ernst und die Treue seines Bestrebens mit einem tiefreligiösen Gemüth vereint den jungen Dichter aller Achtung und Liebe werth machen – sondern aus Eifer für vaterländisches Talent, dem es in einem Fall wie der gegenwärtige bey unsern Einrichtungen noch immer zu sehr an Ermunterung und Unterstützung fehlt, und besonders auch in Vorahndung des künftigen geistigen Lebens, in dessen Kreis nach Eurer Koeniglichen Hoheit unstreitiger Meynung neben dem Baukünstler, dem Mahler, dem Bildhauer, gewiß auch der Dichter nicht fehlen wird, dessen begeistertes Wort doch erst alles belebt, und dessen Lieder würdig sind, in der Kunstgeschmückten Halle seines Königes gehört zu werden –
Aus diesen Gründen also hätte ich auch sonst, und habe jetzt, da ein seltnes Talent Gefahr läuft, durch äußre Verhältnisse in einem wichtigen Monat seiner Entwicklung auf eine vielleicht unersetzliche Weise gestört zu werden, den Muth gefaßt, Eurer Koeniglichen Hoheit Schutz und Huld für dasselbe zu erbitten – eine Bitte, welche die Entschuldigung ihrer Kühnheit nur in den eigenen großen Gesinnungen Eurer Koeniglichen Hoheit suchen will und kann.
Genehmigen HöchstDieselben den Ausdruck treuer, tiefster Ehrfurcht, mit der ich verharre
Eurer Koeniglichen Hoheit
unterthänigstgehorsamster
Schelling.
Erlangen den .