Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Durchlauchtigster Kronprinz,
Gnädigster Fürst und Herr!

Eure Königliche Hoheit geruhen auf Höchstdero gnädigstes Handschreiben vom folgende, nach bestem Wissen abgefaßte, Antwort huldreichst zu empfangen.

1) Die Verfassung Wirtembergs betreffend, so waren die wesentlichen, einzelnen Rechte und Freyheiten des Landes allerdings schon durch Herzog Ulrich in dem berühmten Tübinger Vertrag () selbst mit der Bestimmung versichert, daß dieselben von jedem regierenden Herrn noch vor der Huldigung bestätigt werden sollten.

Aber was man eigentlich Wirtembergische Verfassung nennen muß, das organische, in alle Einrichtungen gedrungne, mit Land und Volk gleichsam verwachsene, Gewebe, das diesem den eigenthümlichen Charakter ertheilte, durch den sie sich so lange auszeichneten; dieses hat man ganz allein Herzog Christoph zu verdanken, dessen Werk, allen Eingriffen der Arglist und der Gewalt unzerreißbar, an 300 Jahre bis im Ganzen unverändert bestand, und den als Urheber der Verfassung die Stimme des ganzen Volks (hier wahrhaft Vox Dei) jederzeit und neuerdings noch dadurch erkannt hat, daß in dem neuen Ständesaal Sein Bildniß (in erhabner Arbeit) allein, und kein andres eines früheren Regenten, aufgehangen wurde.

2) Was die Einrichtung der Schulen und die Verwendung der Kirchengüter zum Besten derselben betrifft, so hat Sattler allerdings Recht, wie ich mich aus einem in großem Anseh’n stehenden handschriftlichen Entwurf überzeuge, nach welchem der verewigte Herzog Karl und nach ihm andere Prinzen des Hauses in der Landesgeschichte unterrichtet wurden; aus dem ich folgende Paragraphen als hieher gehörig mir beyzufügen erlaube.

»§ 328. Es wurden also auch aller Orten die Clöster auf derley Weise reformirt, daß denen Geistlichen, die sich zur evangelischen Religion nicht bekennen wollten ihr lebenswieriger Unterhalt verschafft, und die abgehenden Stellen, außer den Prälaturen, nicht mehr ersetzt wurden.

»§ 329. Die Einkünfte davon wurden aber darum nicht sequestrirt oder zu dem Cammer-Gut geschlagen, sondern formiren noch diese Stunde das Kirchengut; nur daß sie, wie sie ehebevor zu dem katholischen Gottesdienst gewidmet waren, also anitzt die evangelischen Kirchen davon unterhalten werden.

»§ 330. Sintemal der Herzog sogleich die Verordnung gemacht, daß alle dergleichen geistliche Einkünfte zusammen in ein Corpus geworfen, davon vordrist Kirchen und Schulen unterhalten, Pfarr- und Schulbedienten ihre Besoldung gereicht, in denen Clöstern junge Stundenten und zu Tübingen das Stipendium theologicum unterhalten, armen Dürftigen ausgeholfen, und im Fall etwas übrig bleiben sollte, ein solches als ein Nothpfennig zu Rettung Land und Leute aufbehalten werden solle.«

Hiebey ist aber zu bemerken, daß jene Verordnungen Herzog Ulrichs mehr persönliche waren, die durch einen nachfolgenden Regenten auch wohl verändert, oder selbst im Wesentlichen aufgehoben werden konnten.

Herzog Christophs Verdienst war, die abgesonderte Verwaltung des Kirchenguts und die von ihm getroffene Einrichtung der Kirchen und Schulen als wesentliche und ergänzende Theile mit der ganzen Landesverfassung verschmolzen zu haben, wodurch es geschah, daß jede Veränderung der Verwaltung, und jede neue Verwendung des Kirchenguts zu andern, als kirchlichen Zwecken Gegenstand einer Verabschiedung zwischen Herrn und Land werden mußte. Es war schon ein Großes, daß dadurch, wie in keinem andern Staate Kirche und Schulen allgemeine Landes- und Volks-Angelegenheit wurden, an der noch heutzutage jeder Mann im Volke, ja jede Mutter, die einer frommen, christlichen und tüchtigen Erziehung ihres Kindes gewiß ist, das Andenken Herzog Christophs segnend, mit der lebendigsten Theilnahme hängt. Es war ein noch Größeres, daß Herzog Christophs Kirchen- und Schul-Einrichtungen mit der Landesverfassung verwebt, den stets wiederkehrenden, nur zu oft von bloßer Neuerungslust, ohne gehörige Einsichten, unternommenen Abänderungen entzogen, ohne darum an den wahren Fortschritten der Zeit weniger theilnehmen zu können, einen gewissen gleichförmigen Charakter von Tüchtigkeit, religiöser Gesinnung und hoher Achtung für alles Geistige, in dem 300 Jahre lang im Ganzen immer nach demselben System unterrichteten und erzognen Volk hervorbringen mußten; daher der Wirtemberger, wenn man ihm in dieser Hinsicht etwas Eigenthümliches und Ausgezeichnetes zugestehen muß, solches allein Herzog Christoph zu verdanken hat.

Wie bedeutend übrigens, auch abgesehn von der verfassungsmäßigen Consolidirung der Kirchen- und Schul-Anstalten, die vorläufigen Einrichtungen Herzog Ulrich’s durch seines Sohnes Erweiterungen und Verbesserungen gewonnen, werden Eure Köngliche Hoheit aus der Lebensbeschreibung desselben von Pfister, welche ich beyzulegen mir erlaube, Sich zu überzeugen geruhen. S. 493 finde ich unter andern bemerkt, daß H˖[erzog] Christoph kaum den 5ten Theil dessen, was Herzog Ulrich von den eingezognen Clöstern in seinen Nutzen verwendet, für andre Ausgaben übrig behalten: so freygebig hatte er alle geistige Anstalten ausgestattet!

Gewiß Herzog Christoph, in dessen Adern das Blut der Wittelsbacher rollte, dessen Andenken noch gegenwärtig der Geringste seines Volks mehr als das eines Vaters verehrt, war ein großer und guter Regent, dessen Bildniß in Walhalla aufzustellen der Gesinnungen und des Charakters Eurer Königlichen Hoheit hoch würdig ist.

Von allen andern Beherrschern Wirtembergs wüßte ich keinen in gleicher Absicht zu nennen, als den ersten Herzog, Eberhard im Bart; wenn aber außer vielen ruhmwerthen und trefflichen Eigenschaften besonders die Stiftung der Universität Tübingen, zu der ihn der Aufenthalt am Hofe der Medicäer begeisterte, seinen Namen verewiget, so hat er doch nur den Grund gelegt zu der geschichtlichen Eigenthümlichkeit Seines Volks, die erst Herzog Christoph vollendete.

Noch habe ich Eurer Königlichen Hoheit unterthänigst zu danken für die wegen des Gemäldes von Stuttgardt durch Dr. Ringseis mir gnädigst ertheilte Beruhigung, mit welcher auch die Archiv-Vorsteher daselbst sich einstweilen zu begnügen erklärten. Mir sollte leid seyn, wenn Schweikle des in Stanniol-Abdruck überschickten Bildnisses nicht sich bedienen - könnte oder wollte, von welchem Eure Königliche Hoheit durch den, dem mitfolgenden Buch vorgesetzten, wie wohl sonst unbedeutenden, Kupferstich einen Begriff erhalten.

Die göttliche Vorsehung schütze Eure Königliche Hoheit auch im angehenden , und gebe allen Ihren ruhmvollen Absichten das fröhlichste Gedeih’n!
Mir aber erlauben Höchstdieselben, auch ferner mit treuer, tiefster Ehrfurcht mich zu nennen
Eurer Königlichen Hoheit
unterthänigst-gehorsamsten

Schelling.

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Schubert ist gerührt über Ew. Königlichen Hoheit Gnädigstes Andenken, und empfielt sich unterthänigst zu Gnaden.