Herrn
D. J.G. Cotta
Wohlgebohrn
fr˖[ey]
Es ist die natürlichste Sache von der Welt, wenn einer der Scribenten, die das M˖[orgen]blatt als Erwerbsquelle ansehen, die Mémoires als gute Beute und als ein Stück Arbeit betrachtete, woran sich mit leichter Mühe etwas Geld verdienen ließe. Es war ebenso natürlich, wenn einen solchen weder Schicklichkeitsgefühl noch die Einsicht zurückhielt, daß diese Mémoires so nicht zu übersetzen sind und unter seiner Hand alle Naivetät und Grazie verlieren werden. In der That, wer die Mémoires im Französischen gelesen hat wird sie im Deutschen nicht aushalten, und wer sie in dieser Übersetzung liest, wird sicher nicht nach dem Original begierig werden. Dieß ist das Urteil aller urtheilsfähigen Personen, die ich darüber gehört habe.
Daß Sie Partei für eine solche Unschicklichkeit gegen mich nehmen würden, konnte mir freylich nicht einfallen.
Auffallen mußte mir daher, daß Sie nach meiner ersten Äußerung fortfuhren (und noch fortfahren) die Übersetzung abdrucken zu lassen. Doppelt sonderbar, da Sie mir diese gern als Wohlthat anrechnen möchten! Daß sie so nicht gemeynt ist, erhellt ja schon daraus. Denn Wohlthaten, wie der alte Spruch sagt, werden nicht aufgedrungen!
Nach den zwischen uns bestehenden Freundschafts-Verhältnissen konnte ich annehmen, daß Sie den Abdruck auf jeden Fall nur in der Voraussetzung verstattet haben, daß er mir nicht unangenehm seyn werde. Ich sehe nun freylich, daß ich mich hierinn geirrt habe und dieß thut mir leid nicht meinet- sondern Ihretwegen.
Daß diese Übers˖[etzung], welche dem Heft der Zeitschrift auf dem Fuße folgte, ja in manche Gegenden früher als dieses selbst kommen mußte, jener nur zum Nachtheil gereichen kann, müssen Sie selbst anerkennen. Gehen Sie auf diesen Punkt zurück, so kann es Ihnen nicht verborgen bleiben, inwiefern es ein Freundschaftsdienst war, den Sie mir durch Verstattung des Abdrucks erzeigten.
Es bleibt dabey, Sie haben hiedurch der Zeitschrift und dem Verleger geschadet, mir aber eben dieses Verhältnisses wegen etwas sehr Unangenehmes gethan. Ich darf gegen den Verleger nicht, auch nur als stillschweigender, Theilnehmer erscheinen, welches um so leichter geschehen könnte, da er meine Verhältnisse zu Ihnen kennt und sich erinnern muß, wie gern ich die Zeitschrift Ihnen zugewendet hätte. In solcher Lage kann ich keine Zweydeutigkeit auf mir haften lassen.
Ich zweifle gar nicht und habe nie gezweifelt, daß Sie »zu antworten wissen werden«. Sachen, die auf’s Zartgefühl Bezug haben lassen sich vor dem Publikum freylich in gewissem Sinne leicht ausmachen. Wenn Ihnen dieß genug ist, so bin ich auch zufrieden, so wie dieß mein letztes Wort über die Sache ist, über die ich keine Sylbe verloren hätte, wenn ich solche Gesinnungen in Bezug auf mich vermuthen konnte.
Leben Sie recht wohl!
Schelling
München .