Schelling

Schelling Nachlass-Edition


Herrn

D. J.G. Cotta

Wohlgebohrn

in

Stuttgart

Es ist gewiß eine sehr edle Absicht des M˖[orgen]blatts, durch Übersetzung der Mémoires pp auf meine Zeitschrift aufmerksam zu machen – sie wohl gar in die Höhe zu bringen! und da Sie, lieber Freund, mich davon unterrichten muß ich es wohl glauben, ohnerachtet sonst natürlich war zu denken, das M˖[orgen]blatt habe sich dieser Memoires bemächtigt, weil es an ihnen einen interessanten Artikel fand, und obgleich jener Zweck sich noch auf eine andere Art, als völlige Übersetzung erreichen ließ. Ob sich juridisch oder nach juridischen Begriffen etwas gegen das Verfahren einwenden läßt, laße ich gern dahingestellt; für mich ist es freylich nicht genug, wenn etwas nur auf solche Art recht ist; ich halte mich hierinn an ein natürliches Gefühl, welches mir sagt, daß mit ganz gleicher Befugniß auch jeder deutsche Aufsatz aus jeder Zeitschrift unmittelbar nach seiner Erscheinung in’s M[or]g[en]blatt könnte aufgenommen werden, und daß dieß gegen das stillschweygende Übereinkommen läuft, das alle, nicht gleich ursprünglich als parasitisch sich erklärende, Journale unter einander beobachten. – Doch ich sehe zu meinem Erstaunen, daß das M˖[orgen]blatt nach einiger Unterbrechung die Mémoires p wieder aufnimmt und also die Beute nicht will fahren lassen. Ich habe mich bloß entschlossen, Ihnen darüber zu schreiben, weil ich dachte, Sie würden, aufmerksam gemacht, es als einen Gegenstand freundschaftlichen Abstehens betrachten. Da dieß nicht ist, geht es mich eigentlich nicht mehr an; es ist die Sache des Verlegers, der Ihnen auf die Instanz, daß die Übersetzung bezahlt wird, erwiedern kann, daß er das Original gewiß theurer bezahlt hat als Sie die Übersetzung, und daß er bey der Bekanntmachung desselben auf diese Aneignungsart eines andern Journals so wenig gedacht hat, als es die Absicht eines Verlegers bey’m Verkauf seines Artikels ist, daß auch der Nachdruck mit einbedungen sey – und wenn nicht auf die Absicht (mentem) bey’m Verkauf geseh’n wird, begreife ich doch nicht, wie jemand den Nachdruck als unrechtmäßig darthun will. –

Leben Sie recht wohl und deuten Sie die Offenherzigkeit nicht übel, mit der ich Ihnen schreibe

S.